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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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vor fünf Monaten gegessen habe. Ich wünsche mir, Bram könnte auch etwas von dem Kuchen probieren, und überlege einen Moment lang, ihm mein Stück aufzuheben. Aber es gibt keine Möglichkeit, den Nachtisch mit nach Hause zu nehmen. In meine Puderdose würde er nicht passen, und ihn in die Handtasche meiner Mutter zu stecken, wäre ungehörig, selbst wenn sie wider Erwarten zustimmen würde. Aber meine Mutter verstößt niemals gegen die Vorschriften.
    Ich kann ihn nicht für später aufheben. Jetzt oder nie!
    Als ich gerade das letzte Stück zum Mund führe, verkündet der Sprecher: »Wir sind nun bereit, die Paarungen bekanntzugeben.«
    Überrascht schlucke ich den Kuchen herunter und ärgere mich plötzlich: Ich habe keine Gelegenheit gehabt, diesen letzten Bissen zu genießen.

    »Lea Abbey.«
    Lea steht auf und nestelt nervös an ihrem Armband herum, während sie darauf wartet, dass das Gesicht ihres Partners auf dem Bildschirm erscheint. Dabei achtet sie jedoch darauf, die Hände tief genug zu halten, damit der Junge, der sie in einer anderen Stadthalle erblickt, nur das schöne blonde Mädchen sieht und nicht ihre fahrigen Finger, die mit dem Armband spielen.
    Seltsam, wie wir uns an Objekte unserer Vergangenheit klammern, während wir die Zukunft erwarten.
    Die Paarung erfolgt natürlich nach einem streng festgelegten System. In den Stadthallen überall im ganzen Land werden die Paare in einer alphabetischen Reihenfolge verkündet, die sich nach dem Nachnamen der Mädchen richtet. Mir tun die Jungen ein wenig leid, die nicht wissen, wann ihre Namen aufgerufen und sie gebeten werden aufzustehen, um ihren Partnerinnen in den anderen Stadthallen vorgestellt zu werden. Da mein Nachname Reyes lautet, wird man mich ungefähr im letzten Drittel aufrufen. Am Anfang vom Ende.
    Auf dem Bildschirm erscheint das Bild eines blonden, attraktiven Jungen. Er lächelt, als er in seiner Stadthalle Leas Bild erblickt, und sie lächelt ebenfalls. »Joseph Peterson«, verkündet der Sprecher. »Lea Abbey, Sie wurden mit Joseph Peterson gepaart.«
    Die Moderatorin des Banketts überbringt Lea ein kleines silbernes Kästchen. Joseph Peterson auf dem Bildschirm erhält das Gegenstück. Als Lea sich hinsetzt, schaut sie ihr Kästchen sehnsüchtig an, als wünsche sie sich, es auf der Stelle öffnen zu können. Ich kann sie gut verstehen. In dem Kästchen befindet sich ein Mikrochip mit Hintergrundinformationen zu ihrem Partner und mit seinen Kontaktdaten. Wir alle erhalten diese Kästchen. Später werden darin die Ringe für den Ehevertrag aufbewahrt.
    Auf dem Bildschirm erscheint wieder das Standbild: ein Junge und ein Mädchen, die sich anlächeln, mit glitzernden Lichtern und weißgekleideten Funktionären im Hintergrund. Obwohl die Gesellschaft versucht, den Ablauf des Abends so effizient wie möglich zu gestalten, gibt es immer wieder Momente, in denen auf dem Bildschirm dieses eine Bild erscheint. Das bedeutet, dass wir alle warten, während an einem anderen Ort etwas anderes geschieht. Das Paarungssystem ist sehr kompliziert, was mich an die komplexen Schrittfolgen der Tänze längst vergangener Zeiten erinnert. Dieser Tanz hier ist jetzt einer, den nur die Gesellschaft choreographieren kann.
    Das Bild flackert und verschwindet schließlich. Der Moderator nennt den nächsten Namen, und ein Mädchen erhebt sich.
    Schon bald haben immer mehr junge Leute im Saal ihre silbernen Kästchen. Einige stellen sie auf das weiße Tischtuch vor sich, aber die meisten halten sie vorsichtig in den Händen, unwillig, ihre Zukunft schon so bald wieder loszulassen.
    Ich sehe mich um, aber keines der anderen Mädchen trägt das gleiche grüne Kleid wie ich. Das stört mich nicht. Ich mag die Vorstellung, dass ich für eine Nacht nicht genauso aussehe wie alle anderen auch.
    Während ich darauf warte, aufgerufen zu werden, halte ich die Puderdose in der einen und die Hand meiner Mutter in der anderen Hand. Ihre Handfläche fühlt sich feucht an. Zum ersten Mal wird mir bewusst, dass auch meine Eltern nervös sind.
    »Cassia Maria Reyes.«
    Ich bin an der Reihe.
    Ich stehe auf, lasse die Hand meiner Mutter los und wende mich dem Bildschirm zu. Ich fühle, wie mein Herz klopft, und gerate in Versuchung, ebenso die Hände zu ringen wie Lea, aber ich halte vollkommen still, das Kinn nach vorn gereckt, die Augen auf den Bildschirm gerichtet. Ich sehe hin und warte. Mein Partner soll auf dem Bildschirm in seiner Stadthalle ein Mädchen erblicken, das

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