Die Auswahl. Cassia und Ky
Großvater behauptet. Ich lege jetzt die drei Notfalltabletten hinein, die jeder von uns immer bei sich trägt – eine rote, eine blaue, eine grüne.
»Wie praktisch«, sagt Xander. Als er die Arme ausstreckt, bemerkte ich, dass er auch ein Artefakt besitzt – schimmernde Platinmanschettenknöpfe. »Mein Vater hat sie mir geliehen, aber leider kann man nichts darin aufbewahren.«
»Die sehen gut aus.« Mein Blick wandert hinauf zu Xanders Gesicht, seinen strahlendblauen Augen und den blonden Haaren, dann über seinen dunklen Anzug und das weiße Hemd. Er hat schon immer gut ausgesehen, schon als wir noch klein waren, aber noch nie habe ich ihn so schick angezogen gesehen. Die Jungen haben bei ihrer Kleidung nicht so viel Auswahl wie die Mädchen. Ihre Anzüge sehen irgendwie alle gleich aus. Aber wenigstens dürfen sie sich die Farbe ihrer Hemden und Krawatten aussuchen, und die Qualität des Stoffs ist viel feiner als die der Zivilkleidung. »
Du
siehst gut aus.« Das Mädchen, das ihn als Partner bekommt, wird begeistert sein.
»Gut?«, fragt Xander mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ist das alles?«
»Xander!«, mahnt seine Mutter neben ihm, halb amüsiert, halb vorwurfsvoll.
»Du siehst schön aus!«, flüstert Xander mir zu, und ich erröte ein bisschen, obwohl ich ihn schon mein ganzes Leben lang kenne. Ja, ich fühle mich wirklich schön in diesem Kleid: eisgrün, fließend, mit bauschigem Rock. Durch die ungewohnte Glätte des Satins auf meiner Haut fühle ich mich elegant und anmutig.
Neben mir seufzen meine Eltern beide auf, als die Stadthalle in Sicht kommt, die anlässlich der besonderen Feierlichkeit mit einer weiß-blau glitzernden Festtagsbeleuchtung geschmückt ist. Die Marmortreppe kann ich noch nicht erkennen, aber ich weiß, dass sie glänzend poliert sein wird. Mein Leben lang habe ich darauf gewartet, diese blitzsauberen Marmorstufen hinaufzusteigen und durch die Türen der Stadthalle zu schreiten. Ein Gebäude, dass ich immer von weitem gesehen, aber noch nie betreten habe.
Am liebsten würde ich die Puderdose öffnen und kontrollieren, ob wirklich alles an meinem Aussehen stimmt, aber ich will nicht eitel erscheinen. Stattdessen betrachte ich mein Gesicht im goldglänzenden Deckel der Dose.
Die gewölbte Oberfläche verzerrt meine Züge ein wenig, aber ich kann mich gut erkennen: meine grünen Augen, mein kupferfarben schimmerndes braunes Haar, das in der Spiegelung goldener aussieht, als es in Wirklichkeit ist. Meine gerade kleine Nase, mein Kinn mit der Andeutung eines Grübchens, genau wie bei Großvater. All die äußeren Merkmale, die mich zu Cassia Maria Reyes machen, auf den Tag genau siebzehn Jahre alt.
Ich wende die Puderdose in meiner Hand und bewundere, wie genau die zwei Seiten aufeinanderpassen und ein Ganzes bilden. Mein Partner und ich werden genauso gut zusammenpassen, und das fängt schon mit der Tatsache an, dass ich heute Abend hier bin. Da mein Geburtstag auf den fünfzehnten fällt, und das auch der Tag ist, an dem einmal im Monat das Bankett stattfindet, habe ich immer gehofft, dass ich auch genau an meinem Geburtstag gepaart werde. Aber ich wusste auch, dass es nicht unbedingt so passieren muss. Man kann in jedem Monat des Jahres, in dem man siebzehn ist, zum Bankett aufgerufen werden. Als ich dann vor zwei Wochen die Benachrichtigung bekam, dass ich tatsächlich an meinem Geburtstag gepaart werden würde, konnte ich fast das feine »Schnapp« der Teile hören, die ein perfektes Ganzes bilden – genau wie ich es mir die ganze Zeit erträumt hatte.
Obwohl ich nicht einmal einen einzigen Tag auf meine Paarung warten musste, habe ich in gewisser Weise schon mein ganzes Leben
lang darauf gewartet.
»Cassia!«, sagt meine Mutter und lächelt mich an. Ich muss blinzeln und blicke überrascht auf. Meine Eltern erheben sich, bereit zum Aussteigen. Xander steht ebenfalls auf und streicht seine Ärmel glatt. Ich höre, wie er tief einatmet, und lächele still. Vielleicht ist er doch ein klein wenig aufgeregt.
»Jetzt geht’s los!«, sagt er zu mir. Sein Lächeln ist so lieb und nett! Ich bin froh, dass wir im selben Monat Geburtstag haben. Wir haben einen so großen Teil unserer Kindheit gemeinsam verbracht, dass es nur richtig scheint, auch ihr Ende zusammen zu erleben.
Ich erwidere sein Lächeln und gebe ihm den innigsten Wunsch mit auf den Weg, den wir in der Gesellschaft kennen. »Ich wünsche dir optimales Gelingen«, sage ich zu Xander.
»Ich dir auch,
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