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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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schien Kurt sofort zu gefallen, vielleicht weil sie beide fast gleich groß waren. Isabellas Mann Dieter hingegen wirkte neben den beiden wie ein Zwerg. Johanna hatte sich einen feurigen Südländer an Isabellas Seite vorgestellt und war nun überrascht von diesem blassen Menschen mit den schmalen Schultern. Er wirkte so farblos und uninteressant, dass Kurts Blick ihn bei der Begrüßung nur flüchtig streifte. Aber sie hatten sich wohl alle in Isabellas Mann getäuscht. Denn sobald Dieter den Mund aufmachte, zwang er sie, ihm zuzuhören. Seine Stimme war melodiös, fast schmeichelnd, und besaß trotzdem einen festen Klang. Mit harmlosen Fragen steuerte er die Unterhaltung so lange gezielt in eine unverfängliche Bahn, bis alle entspannt waren. Johanna konnte Kurt ansehen, wie er seine Meinung über Dieter bereits im Laufe dieses ersten Gesprächs wieder änderte.
    Das erste gemeinsame Essen war schlicht und bestand nur aus belegten Broten, Tee und Kaffee. Gleich nachdem sie fertig waren, durften sie an Deck gehen, um beim Ablegen zuzusehen.
    Die Auswanderer standen dicht gedrängt an der Seite des Schiffs, die zur Kaimauer zeigte. Kurt hatte sich, mit Uwes Hilfe, durch die Menschenmenge ganz nach vorne geschoben, und Johanna und die anderen zwei Paare dicht um sich geschart. Kurt hielt Johannas Hand, als das Schiff, beleuchtet von den starken Hafenstrahlern, langsam von den Schleppkähnen auf das offene Meer hinausgezogen wurde. Viele Passagiere winkten aufgeregt ihren Verwandten und Freunden zu, die an der Hafenmauer standen und langsam zu immer kleineren, dunkleren Punkten wurden, die schließlich ganz verschwanden. Die Leute winkten trotzdem weiter, weil sie wussten, wo ihre Lieben gestanden hatten, und weil ihnen immer stärker bewusst wurde, dass sie diese vielleicht nie wiedersehen würden. Plötzlich war es an Deck sehr ruhig geworden.

Kapitel 5
     
     
    Sydney, heute
     
    Sydney hatte einen ungewöhnlich kalten, nassen Winter hinter sich. Die Northern Beaches , der nördlichste Teil der Großstadt, lag auf einer Landzunge und war dadurch verstärkt der feuchten Kälte des Ozeans ausgesetzt. Die meisten Australier, die sich hier angesiedelt hatten, beschwerten sich lautstark, wenn das Wetter so ungemütlich wurde und sehnten sich nach der Wärme, auf die sie einen gottgegebenen Anspruch zu haben glaubten. Einwanderer wie Eva jedoch, die aus Europa gekommen waren, genossen heimlich die seltenen Winterstürme. Wenn der Wind die Wolken über die Strände fegte, den Sand aufwirbelte und die Straßen und Häuser in eine Gischt körnigen Salznebels hüllte und das Licht des Tages nicht mehr gegen den trüben Regen ankam, dann erinnerten sich die zahlreichen Deutschen, Holländer und Engländer an ihre Jugend in der alten Heimat. Leider hielt dieses Wetter nie sehr lange an, meist nur paar Tage, dann war der Kälteeinbruch auch schon wieder vorbei. Eva bedauerte es jedes Mal zutiefst, wenn die Sonne dann doch wieder durch die Wolken brach, die Nässe auf den Straßen verdampfte und sich schwüle Wärme ausbreitete.
    Genau so ein Tag war heute. Der Asphalt kochte und Evas Haus, das in einer Straßenbiegung lag, schien in die Schwaden einer römischen Sauna gehüllt zu sein. Die Straße verlief in Serpentinen von Avalon nach Bilgola Heights und war so steil, dass manche Kurven fast hundertachtzig Grad hatten. Ihr Haus lag direkt in einer dieser Kurven und wurde auf drei Seiten von der Straße eingegrenzt. Nur deshalb hatten sie und Steve es sich nach ihrer Hochzeit überhaupt leisten können. Steve verdiente als Angestellter in einer Computerfirma nicht schlecht, aber Eva hatte, als Nadja noch zur Schule gegangen war, immer nur Teilzeitjobs annehmen können, die schlecht bezahlt gewesen waren und es ihnen nicht ermöglicht hatten, zusätzliches Geld zurückzulegen. Nun war sie zu alt, um noch eine feste, gutbezahlte Anstellung zu bekommen, doch sie jobbte weiter, um das Haus abzuzahlen und ein bisschen für ihr Alter zu sparen. Dennoch war das Haus ein Glücksgriff gewesen! In den Hang gebaut, besaß es einen fantastischen Meerblick und einen riesigen Balkon, den sie zu Beginn wegen der stark frequentierten Straße zu ihren Füßen jedoch nie hatten nutzen können. Also hatte ihn Steve, der großes handwerkliches Geschick besaß, kurzerhand verglast. Der rückwärtige Teil des Hauses war wie ein Hufeisen um eine üppig bepflanzte Terrasse gebaut und bot Schutz vor dem ewigen Verkehrslärm. So hatten sie das Beste von

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