Die Auswanderinnen (German Edition)
unter sich begrub und dann über sich rollen ließ. Sein ursprüngliches Argument, doch leise zu sein, um ihre Intimität zu wahren, ging in ihrem gemeinsamen Stöhnen und Ächzen unter. Nichts zählte mehr, nur noch ihre Körper und ihre Sinne, die die Kälte, die in ihnen wohnte, für immer vertrieb.
Kapitel 58
Barrier Reef, ein Jahr später
Die Jacht lag im seichten Gewässer des Barrier Reefs, etwa eine Stunde vom Hafen von Cairns entfernt, vor Anker, und schaukelte leicht auf den Wellen hin und her. Es war ein Sommertag im späten Dezember, der dieses Jahr ungewöhnlich mild begonnen hatte, aber nun bewies, dass Weihnachten im Norden von Queensland durchaus mit tropischen Temperaturen aufwarten konnte.
Weihnachten! Neujahr! Der Beginn eines neuen Jahres und der Ausklang eines alten, das an Aufregung und Veränderungen kaum zu überbieten gewesen war. Jo Ann und John hatten die Jacht für die Feiertage gechartert und Isabella, Eva und Steve, sowie Mira und Bill zu einem Segeltörn eingeladen, um den Abschluss des Jahres, das für alle so positiv verlaufen war, zu feiern. Übermorgen würden ihre Gäste eintreffen, und danach würde es mit der Stille an Bord vorbei sein.
Mira war nur schwer von der Mine wegzulocken gewesen, und Jo Ann wurde sich einmal mehr bewusst, dass sie sich keine bessere Geschäftspartnerin hätte wünschen können. Die Opalader, die Kurt im Ostschacht vor ihr verborgen hatte, hatte sich als unglaublich ergiebig herausgestellt. Bereits nach wenigen Tagen hatten sie eine Opalstraße in der Lehmschicht freigelegt, aus der ihnen ein wahres Farbenmeer entgegengeleuchtet hatte. Mira war davor auf die Knie gesunken und hatte Jo Ann mit sich gezogen. Nach all den Jahren, in denen sie erfolglos geschürft hatten, waren ihre Mühen nun mehr als belohnt worden. Seither war Mira kaum aus der Mine zu bekommen.
Eva würde ihnen dagegen bestimmt stundenlang von ihrer Firma für Teilzeitkräfte erzählen, die sie mit Steve gegründet hatte und die anscheinend bereits recht ordentlich lief. Der Urlaub würde den beiden guttun, denn sie hatten das ganze Jahr über hart gearbeitet und nicht einmal der Gerichtsverhandlung beigewohnt.
Isabella war jedoch jeden Tag anwesend gewesen und reiste nun an, um sich von der ganzen Aufregung zu erholen.
Dieter war letzten Dezember, gleich nachdem er die Zollschranke passiert hatte, am Flughafen von einer Gruppe uniformierter Polizeibeamter verhaftet worden, und Isabella hatte den laut protestierenden Mann, mit dem sie einmal verheiratet gewesen war, beinahe nicht wiedererkannt. Dieter war übermäßig dick geworden und hatte seine Leibesfülle in einen viel zu eng geschnittenen schwarzen Leinenanzug gezwängt. Sein Haar glänzte unnatürlich dunkel, und Isabella hatte vermutet, dass er es gefärbt hatte. Dabei hätte ihm Grau weitaus besser gestanden, war ihr durch den Kopf geschossen, denn das dunkle Haar machte ihn älter. Oder waren es die vielen überschüssigen Kilos? Plötzlich hatte sie sich vorgestellt, wie schnell er im Gefängnis schlank und grau werden würde, und laut aufgelacht. Dieter hatte daraufhin in ihre Richtung gesehen, war abrupt stehen geblieben und hatte aufgehört zu protestieren. Es lagen vielleicht zehn Meter zwischen ihnen.
Dieter hatte Isabella in der Menge sofort erkannt und hatte ihr seine Arme mit den Handschellen entgegengestreckt. Sein Zeigefinger war dabei genau auf sie gerichtet gewesen, wie die Mündung eines Gewehrs, wie eine wortlose Anklage. Aha, bedeutete die Geste, dort steht also die Schuldige, der ich das alles zu verdanken habe! Dann hatten die Polizisten seine Arme auch schon wieder nach unten gedrückt und waren mit ihm im nächsten Gang verschwunden. Aber Isabella war noch lange von seinem wütenden, hasserfüllten Gesichtsausdruck verfolgt worden. Deshalb war die Gerichtsverhandlung auch so wichtig für sie gewesen, denn sie hatte Dieters Gesicht noch einmal sehen wollen, das Gesicht eines besiegten Mannes, und sie hatte zwölf lange Monate sehnsüchtig darauf gewartet.
Bill hatte mit seiner Vermutung, dass es wahrscheinlich lange dauern würde, bis die Verhandlung gegen Dieter eröffnet werden würde, Recht behalten. Denn Dieters Anwalt in Deutschland hatte mit allen Mitteln versucht, die Auslieferung seines Mandanten zu erwirken, jedoch ohne Erfolg. Denn da Kurt und Jo Ann schon bald nach ihrer Auswanderung australische Staatsbürger geworden waren, hatte die deutsche Regierung die Ansicht vertreten,
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