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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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rutschte nach unten. Ein anderer war der Beste, ein anderer schritt voran, ein anderer trug die Marienfahne am Fronleichnamstag, ein anderer wurde öffentlich vor der Tafel belobigt. Ich mußte jetzt sehr oft vor dem Lehrerpult Aufstellung nehmen, damit mir der Lehrer mit dem Stock auf die Hand schlagen konnte. Ich hatte meistens geschwollene Hände. Zuhause sagte ich von meinem Mißgeschick nichts. Ich haßte den Lehrer mit der gleichen Intensität, mit welcher ich die Lehrerin, seine Vorgängerin, geliebt hatte. Banausen, mein Großvater hatte recht. Aber was nützte mir das? Mein zweites Zeugnis war bereits von mehreren
genügend
verunstaltet. Meine Großeltern waren verzweifelt. Wie kommt es zu diesem Zeugnis? Die großväterliche Frage war nicht zu beantworten. So geht das nicht, kommentierte mein Großvater die Misere. Es ging so und es ging immer weiter so und immer weiter bergab. In der dritten Klasse war ich nahe daran, sitzenzubleiben. Dieser Schande bin ich entkommen. Eines Tages hieß es, wir übersiedeln, und zwar nach Traunstein, nach Bayern, an welchem mein Großvater kein gutes Wort ließ, denn es lag in Deutschland, und an Deutschland ließ er, wenn er schlecht gelaunt war, ob es jetzt überhaupt zur Sachlage paßte oder nicht, kein gutes Haar. Die Deutschen! sagte er immer, es war das Abfälligste, das sich denken ließ, niemand wußte, was diese Bemerkung mit dem zu tun hatte, was ihn gerade in Rage brachte. Die Deutschen! Kaum hatte er das Donnerwort ausgesprochen, löste sich seine Verkrampfung, und er normalisierte sich. Sein Schwiegersohn hatte in Bayern, also in Deutschland, nirgends sonst, eine Arbeit gefunden. Das Paradies war beendet. Die allgemeine Arbeitslosigkeit in Österreich hatte mich daraus vertrieben, indirekt. Eine Kleinstadt in den Bergen, am Chiemsee! rief er aus, als handelte es sich um eine Katastrophe. Aber wir müssen ja existieren! Die Tatsache, daß ich jetzt vor den Großeltern, an deren Übersiedlung zuerst noch gar nicht gedacht worden war, mit meiner Mutter und deren Mann nach Traunstein ziehen sollte, machte mich unglücklich. Es war mir nicht begreiflich zu machen, daß Seekirchen zuende sei. Es war wieder nur eine Zwischenstation gewesen. Ohne Großvater weiterzuleben unter dem Regime eines fremden Mannes meiner Mutter, der von meinem Großvater je nach Laune abwechselnd als
Dein Vater
oder
Dein Vormund
betitelt wurde, erschien mir das Unmöglichste von der Welt. Die Katastrophe bedeutete, Abschied zu nehmen von allem, das zusammen tatsächlich mein Paradies gewesen war. Das Mirtelbauernhäusl, Hipping, nicht zu vergessen die Ritzinger Hilda, die Schrankenwärterstochter, die mich in die Kunst des Schlittenfahrens eingeführt hat und deren Ohnmachtsanfälle mir als die höchstmögliche theatralische Kunst in Erinnerung sind. Wollte sie, wie ich erst fünfjährig, ein sogenanntes Zuckerl aus der Küchenkredenz ihres kleinen, direkt an der sogenannten West-bahn gelegenen Schrankenwärterhauses, in welchem ich die letzte Seekirchner Zeit manche Woche öfter als in Hipping gewesen war, fiel sie, wenn ihre Mutter nahte, in Ohnmacht. Die Mutter stürzte sich auf das auf dem Boden liegende Kind, das einzige, wie sich denken läßt, und blies ihm Luft in den Mund, als wollte sie es wiederbeleben. War ich Zeuge dieser dramatischen Situation, blinzelte mir die Hilda von der Seite her zu und ließ der Rettungsaktion der Mutter freien Lauf. Das Kind stellte sich, auf dem Boden liegend, tot und erwachte erst, nachdem ihm die Mutter ein Zuckerl in den Mund gesteckt hatte. Die Mutter umarmte die wiederbelebte Hilda und gab ihr noch ein paar Zuckerln, wobei auch für mich ein oder das andere abgefallen ist. Ich erinnere mich, daß ich oft bis nach Einbruch der Dunkelheit, was mir nicht erlaubt war, bei der Ritzinger Hilda geblieben bin, etwa vier- oder fünfhundert Meter unter unserem Mirtelbauernhäusl. Die schrille Zugpfeife, in die mein Großvater von der Haustür aus in das Tal herunterblies, bewirkte jedesmal den sofortigen Abbruch meiner Beziehung zur Ritzinger Hilda. Kein Zweifel, mein Paradies war gar kein Paradies mehr. Der Lehrer hatte es mir nach und nach zur Hölle gemacht. Ich war schon zu lang auf dem Hippinghof, der sich in zwei, drei Jahren gründlich geändert hatte. Anstatt drei gab es nurmehr noch einen Pferdeknecht, anstatt fünf nur noch zwei Stalldirnen. Die Kühe waren weniger und gaben weniger Milch, es wurde immer vom Krieg gesprochen, der aber nicht

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