Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)
einem Traunsteiner Gärtner, bei der Firma Schlecht und Weininger, zu arbeiten angefangen. Diese Arbeit hatte mir sogleich die größte Freude gemacht, sie hatte bis zum Frühjahr, genau genommen, bis zum achtzehnten April gedauert, während dieser Zeit habe ich die Gärtnerarbeit in allen ihren Möglichkeiten und Unmöglichkeiten kennen und lieben gelernt, an diesem achtzehnten April waren Tausende Bomben auf die kleine Stadt Traunstein gefallen und ihr Bahnhofsviertel war binnen weniger Minuten vollkommen vernichtet gewesen. Die Gärtnerei Schlecht und Weininger hinter dem Bahnhof war nur noch eine Sammlung riesiger Bombentrichter gewesen, das Gärtnereibetriebsgebäude schwer beschädigt und unbrauchbar geworden. Hunderte Tote waren auf die Bahnhofstraße gelegt und in notdürftig zusammengezimmerten Weichholzsärgen auf den Waldfriedhof gebracht worden, wo sie, weil zum Großteil nicht mehr identifizierbar, in einem Massengrab verscharrt worden sind. Diese kleine Stadt an der Traun hatte nur ein paar Tage vor dem Ende des Krieges einen der schrecklichsten und sinnlosesten Bombenangriffe überhaupt erleben müssen. Noch einmal war ich von Traunstein aus nach Salzburg gekommen, wahrscheinlich um mir ein paar vergessene Kleidungsstücke zu holen, mit meiner Großmutter sehe ich mich durch die grauenhaft zugerichtete und von nurmehr noch verstörten und ausgehungerten Menschen bevölkerte Stadt gehen, mit meiner Großmutter bei Verwandten anklopfen und, so sie noch am Leben geblieben waren, diese Verwandten aufsuchen. Das Internat war zugesperrt und ein Drittel des Gebäudes in der Zwischenzeit zerstört worden, der halbe Schlafsaal, in welchem ich die fürchterlichsten Zustände und Träume meines Lebens gehabt habe, war von einer Bombenexplosion abgerissen gewesen und in den Hof geschmettert. Über das Schicksal des Grünkranz und seiner Frau habe ich nichts mehr in Erfahrung bringen können, auch nichts mehr und nie mehr etwas von den Mitzöglingen gehört.
ONKEL FRANZ
Wir werden erzeugt, aber nicht erzogen, mit der ganzen Stumpfsinnigkeit gehen unsere Erzeuger, nachdem sie uns erzeugt haben, gegen uns vor, mit der ganzen menschenzerstörenden Hilflosigkeit, und ruinieren schon in den ersten drei Lebensjahren alles in einem neuen Menschen, von welchem sie nichts wissen, nur, wenn überhaupt, daß sie ihn kopflos und verantwortungslos gemacht, und sie wissen nicht, daß sie damit das größte Verbrechen begangen haben. In vollkommener
Unwissenheit und Gemeinheit
haben uns unsere Erzeuger und also unsere Eltern in die Welt gesetzt und werden, sind wir einmal da, mit uns nicht fertig, alle ihre Versuche, mit uns fertig zu werden, scheitern, sie geben früh auf, aber immer zu spät, immer erst in dem Augenblick, in welchem sie uns längst zerstört haben, denn in den ersten drei Lebensjahren, den entscheidenden Lebensjahren, von welchen unsere Erzeuger als Eltern aber nichts wissen, nichts wissen wollen, nichts wissen können, weil jahrhundertelang immer alles getan worden ist für diese ihre entsetzliche Unwissenheit, haben uns unsere Erzeuger mit dieser Unwissenheit zerstört und vernichtet und immer für unser ganzes Leben zerstört und vernichtet, und die Wahrheit ist, daß wir es auf der Welt immer nur mit in den ersten Jahren von ihren unwissenden und gemeinen und unaufgeklärten Erzeugern als Eltern zerstörten und vernichteten und für ihr ganzes Leben vernichteten Menschen zu tun haben. Der neue Mensch ist nur immer wie ein Tier aus der Mutter geworfen und wird auf immer wie ein Tier von dieser Mutter behandelt und zugrunde gerichtet, wir haben es nur mit von ihren Müttern geworfenen Tieren, nicht Menschen, zu tun, die schon in den ersten Monaten und erst in den ersten Jahren von diesen ihren Müttern mit ihrer ganzen animalischen Unwissenheit zerstört und vernichtet werden, aber diese Mütter trifft keine Schuld, weil sie niemals aufgeklärt worden sind, die Interessen der Gesellschaft sind andere als die Aufklärung, und die Gesellschaft denkt gar nicht daran, aufzuklären, und die Regierungen sind immer und in jedem Falle und in jedem Lande und Staatsgebilde daran interessiert, daß ihre Gesellschaft nicht aufgeklärt wird, denn klärten sie ihre Gesellschaft auf, wären sie schon in kurzer Zeit von dieser von ihnen aufgeklärten Gesellschaft vernichtet, Jahrhunderte ist die Gesellschaft nicht aufgeklärt worden, und es werden viele Jahrhunderte kommen, in welchen die Gesellschaft nicht aufgeklärt
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