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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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mit Unterwürfigkeit andererseits, der Krieg war ihr Lieblingsthema. Die Frauen redeten von ihren Männern und die Männer von ihren Kriegsschauplätzen. Die Frauen machten die Verwundungen ihrer Männer zu den Höhepunkten ihrer Mitteilsamkeit, die Männer zielten immer nur auf Smolensk, auf Stalingrad, auf Calais, El Alamein und auf Narvik. Und wenn wir es Hunderte Male gehört hatten, wir mußten beinahe jeden Tag wieder auf diese Kriegsschauplätze, und die Verwundungen kannten wir bis in die kleinsten, bis in die unscheinbarsten Einzelheiten hinein, daß einem die Blase nicht mehr funktionierte, weil seine Hoden von einem Granatsplitter bei Sewastopol angeritzt worden waren, war uns immer wieder von seiner Frau detailliert worden. Die Frauen redeten von der Gefangenschaft ihrer Männer, und wir bekamen von ihnen sozusagen aus zweiter Hand eine Schilderung der Zustände in den russischen und in den amerikanischen und in den englischen Lagern. In den Köpfen der Männer des Volkes sind die Kriegsschauplätze, mit Sieg oder Niederlage gekennzeichnet, ist ihnen gleichgültig, die lebenslänglichen Höhepunkte. Wer einen Vater hatte und einen Onkel, der hörte fast immer nur von ihren Heldentaten, auch ihre Niederlagen hatten sie zu Heldentaten gemacht, ihre Schweinereien und Schweinigeleien im Kriege hefteten sie nach dem Kriege ungeniert als Orden an ihren Erinnerungshorizont. Die Frauen erzählten im Keller mit der Leidenschaft innerster Anteilnahme von den Heldentaten ihrer Männer, von den Greueln der Feinde. Die
Heimkehrer
hatten immer ein großes heldenmütiges Wort geführt, nur ihre tatsächlich für ihr Leben Verstümmelten schwiegen, aus ihnen war kaum etwas herauszubringen. Wir Kinder hatten bald alles über die Pioniere und über Gebirgsjäger gewußt, und wir hörten von einem bestimmten Zeitpunkt an über Narvik und über Trondheim und über Calais und über Jajce und Oppeln und Königsberg immer dasselbe. Die Männer kamen mit der leeren Rumflasche in den Keller, und während ihnen die Flasche angefüllt wurde, machten sie, an die Budel gelehnt, Kriegsgeschichte. Ihr Theater waren Kanonendonner und Tote gewesen, die Stalinorgel und der Leopard, der General Dietl und der Generalfeldmarschall Paulus. Sie gaben abwechselnd Hitler und Churchill schuld an der Misere, aber sie gaben mehr Churchill als Hitler schuld. Und wie sie nach Kriegsschluß und daß sie überhaupt noch nachhause gekommen waren, davon berichteten sie beinahe ununterbrochen, und wahrscheinlich träumten sie, wenn sie mit keinem Menschen darüber reden konnten, davon. Der Krieg war nur an der Oberfläche schon aus, in den Köpfen aller Leute wütete er weiter. Jeder hatte gewußt, wie die Niederlage zu vermeiden gewesen wäre, und jeder hatte andererseits alles vorausgesehen. Wenn einer, an die Ladenbudel gelehnt, seine Kriegserfahrung zum Inbegriff aller menschlichen Wichtigkeit und Denkwürdigkeit machte, hatten wir einen Generalstäbler an der Ladenbudel. Die Ausnahmen waren die Schweigenden mit nur einem übriggebliebenen Arm oder mit einer Metallplatte im Kopf oder ganz ohne Beine. Sie ließen sich auf keine Kriegsdebatte mehr ein, und die meisten von diesen verließen, wenn plötzlich vom Krieg die Rede war, den Keller. Der Krieg ist zu allen Zeiten immer Gesprächsstoff Nummer eins unter den Männern gewesen. Der Krieg ist die Poesie des Mannes, durch welche er sein Leben lang Aufmerksamkeit und Erleichterung fordert. Sie flüchteten, jeder auf seine ihm angeborene Weise, in Gemeinheit und Niedertracht und regenerierten sich im Zustand der totalen menschenunwürdigen Apathie. Sie hatten von früh an hassen gelernt und den Haß in der Scherzhauserfeldsiedlung zu dem höchstentwickelten gegen alles gemacht. Haß erzeugt Gegenhaß, und sie haßten einander gegenseitig wie alles andere pausenlos bis zur Erschöpfung. Und ihre Erschöpfungszustände waren nur ein Mittel zum Zwecke ihrer Selbstzerstörung gewesen, in ihnen sinnierten sie sich ein neues Elend und neue Krankheiten und neue Verbrechen zusammen. Sie flüchteten von dem einen Elend in ein anderes, von einem Unglück in ein anderes und in ein immer tieferes, auswegloseres hinein, und einer hat immer den anderen mitgerissen. Sie flüchteten in die Umwelt und waren von dieser, die nur tödliche Schläge kannte, in Kürze zurückgestoßen. In Wunschbilder flüchteten sie, die am Ende nichts als Alpträume waren, und in Schulden, die auf raschestem Wege in das Gefängnis

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