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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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wie schmiedeeiserne Kerzenleuchter oder beispielsweise Weinheber, ein, die die Leute alle aufkauften, obwohl sie weder Kerzenleuchter noch Weinheber brauchen konnten, denn sie brannten keine Kerzen ab, und sie tranken den Wein direkt aus der Flasche, ohne Umweg aus Gläsern. Die Gegenstände konnten nicht scheußlich und unbrauchbar genug sein, daß sie nicht in der kürzesten Zeit von diesen Leuten aufgekauft worden wären. Für einen Mann wie Podlaha war diese Zeit der Einkaufswut und der Einkaufsbesessenheit aller Leute in der Scherzhauserfeldsiedlung eine geschäftlich ideale, er, der auch noch im Anbringen aller Waren der Geschickteste gewesen ist, der mir jemals untergekommen ist, hätte alles verkauft und alles immer restlos und zu den für ihn günstigsten Bedingungen. Aber er war nicht nur berechnend, er war im Grunde gutmütig, und er war nicht der Typus, der allein nur zum Geschäftemachen auf der Welt ist, und nicht nur aus Geschäftsgründen hatte er sich hier in der Scherzhauserfeldsiedlung seinen Laden aufgemacht, das hätte er überall sonstwo auch tun können, er war, möglicherweise aus ähnlichen Beweggründen wie ich, von der Scherzhauserfeldsiedlung als einer Zuflucht, so absurd das ist, angezogen gewesen. Für ihn war, wie für mich, die Scherzhauserfeldsiedlung eine Zuflucht nach seinem Scheitern in Wien gewesen, er, der gelernte Kaufmann, der an der Wiener Musikakademie studieren und einen musikalischen Hauptberuf hatte erreichen wollen und in der Folge der Kriegsgeschehnisse sein Studium hatte abbrechen müssen, die Akademie und alle mit ihr in Zusammenhang stehenden Hoffnungen begraben, war nicht nur um Geschäfte zu machen nach Salzburg gekommen, dazu war dieser intelligente Mensch denn auch doch zu sensibel, der Rückgriff auf seinen ursprünglich erlernten Beruf und die daraus resultierende Berechtigung zur Eröffnung und Führung eines Lebensmittelladens waren nur ein Ausweg aus seiner Persönlichkeitsmisere gewesen, und wahrscheinlich hatte sein Instinkt ihn nicht einfach
in
der Stadt Salzburg einen Laden aufmachen lassen, sondern
am Rand der Stadt, in der Scherzhauserfeldsiedlung
, die auch ihn angezogen gehabt haben muß, denn diese Siedlung war an sich eine große Faszination für einen von der sogenannten normalen Welt abgestoßenen Menschen, und der Podlaha war von der sogenannten normalen Welt abgestoßen, wie ich von dieser sogenannten normalen Welt abgestoßen gewesen war, in einem solchen Falle vollzieht sich ganz selbstverständlich der Schritt in die Vorhölle oder in die Hölle, er fühlte sich wahrscheinlich so wie ich als ein Vorhöllen- oder Höllennutznießer. Auch er, Podlaha, war ein Außenseiter, und in wie hohem Grade, erfuhr ich erst viel später. Er hatte den richtigen Umgang mit den Kunden, vornehmlich mit den Siedlungsfrauen, die eine Unterhaltung mit ihm schätzten, und ich habe im Hinblick auf Menschenumgang viel von ihm gelernt. Hier in der Siedlung hatte er durch Eröffnung des Kellers, den er nach seinem Wunsche, nach seinen Plänen ausstatten und einrichten konnte, sich seine Selbständigkeit, an welcher ihm genauso viel wie mir an meiner gelegen war, erhalten und sein eigenes Außenseiterleben als von der normalen Welt isolierte Existenz leben und existieren können, er wohnte nicht in der Siedlung, sondern bei einem Onkel von ihm in einem anderen Stadtteil, dieser Onkel hatte ihm, vermute ich, den Sprung von Wien nach Salzburg ermöglicht und, weil der in der Stadt einflußreich war, die vielen Hindernisse, die sich auch damals einer, gleich welcher, Geschäftseröffnung durch einen Wiener in Salzburg in den Weg stellten, ausgeräumt. Der Podlaha hatte immer und wahrscheinlich ununterbrochen von der Musik geträumt, aber eine Existenz als kleiner Lebensmittelhändler geführt, er mag sich als Musiker gefühlt haben, der er zweifellos gewesen ist, ohne tatsächlich Musiker zu sein, denn er spielte kein Instrument mehr, er war aber Lebensmittelhändler, er träumte, glaube ich, den ganzen Tag, Musiker zu sein, und war doch ununterbrochen Lebensmittelhändler. Seine Natur hatte viel gemeinsam mit meiner, wieviel und in wie hohem Maße, erkenne ich erst jetzt, aber darüber zu reden, ist nicht die Zeit. Der Zufall, wenn es den Zufall gibt, hatte zwei Menschen, den Podlaha und mich, zusammengeführt, die sich bis in kleinste Einzelheiten ihres Charakters hinein ähnlich waren. Das Wesen des Podlaha war ein mir nahe verwandtes, und unser beider Existenz war in

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