Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
hatte. Aus Scham kaum gesprochen und sich wie ein Versager gefühlt. Albrecht fiel ihr ein. Was hatte er gesagt? Sie hätten auf dem Gartengrundstück neben den verteilten Knochenteilchen eine Frauenleiche gefunden? Plötzlich riss sie die Augen wieder auf. Sie vermochte nicht zu erkennen, wie lange es schon still gewesen war. Die beiden schwarzen Kuttengestalten vorne standen jetzt mit dem Rücken zu ihnen und beteten murmelnd das umgekehrte Kreuz an. Anke spürte, dass Caras Stunde gekommen war. Durch die Drogen hatte sie alles ohne eine Regung durchlebt. Gebannt blickte Anke nach vorne. Die beiden Männer drehten sich um. Simeon legte eine Hand über Caras Stirn. Freds Finger ließen durch Schalterdruck erneut ein Orgelgetöse erklingen. Anke erschauderte. Fred setzte das Messer an Caras Unterleib. In dem Moment schrie Anke aus Leibeskräften. Durchdrang sogar das Orgelgetöse.
„ Simeon Vronhoff!“
Wolf neben ihr fuhr zusammen.
„Simeon Vronhoff! Wissen Sie eigentlich, was mit Ihrer Mutter, Petra Zellmeister, geschehen ist?“
Den Namen erwähnte sie, damit Simeon sofort glaubte, sie würde sich tatsächlich auskennen. Und tatsächlich nahm Simeon augenblicklich die Hand von Caras Stirn und gebot Fred durch eine Handbewegung, das Messer von ihrem Leib zu nehmen. Mein Gott, dachte Anke, wenn sie doch endlich diese Schauermusik abstellen würden. Eine weitere Handbewegung Simeons zu Fred erfüllte augenblicklich ihren Wunsch. Plötzlich herrschte Totenstille. Anke spürte Simeons Blick durch die runden Öffnungen seiner Gesichtsmaske fast körperlich. Kein Muskel schien sich unter seiner Kutte zu regen. Ob er darunter nackt war?, dachte sie. In seinen Augen erkannte sie eine Mischung aus Verblüffung und Erstaunen. Langsam schritt er auf sie zu. Swami rekelte sich aus seinem Schneidersitz. Ankes Herz pumpte. Wolf, Wolf, dachte sie in telephatischem Eifer, hilf mir. Er musste doch wissen, worauf sie hinaus wollte. Simeon stand nun vor ihr. Selbst durch die Maske spürte Anke in ihrem Gesicht seinen heißen Atem. Er fasste mit einer Hand ihr Kinn, zog ihren Kopf ruckartig hoch und warf ihr nur ein Wort entgegen.
„ Was?“
Seine Stimme hörte sich durch die Maske noch dunkler als üblich an. Mut, weiter, dachte Anke, auch wenn es noch so ungeheuerlich ist, was ich versuche. Wie hatte sie mal irgendwo gelesen ’hast du Zweifel, lass es überzeugend klingen’.
„Ihr Vater, Viktor Vronhoff, hat sie brutal umgebracht, weil sie ihn verlassen hat.“
„ Und sie hatte ihn verlassen“, kam ihr Wolf endlich zur Hilfe, „weil ihre Mutter Sie schützen wollte.“
Die ganze Betonung hatte er auf das Wort ’Sie’ gelegt.
Simeon ließ Ankes Gesicht los.
„ Eine fragwürdige und schändliche Behauptung.“
Sein wirrer Blick flackerte zwischen Anke und Wolf hin und her.
Gut, durchfuhr es Anke. Er hat von der Existenz der Kladden keine Ahnung. In einem krankhaften Gefühlsumschwung lachte Simeon unvermittelt los. Anke nutzte die Geräuschkulisse.
„ Den Revolver“, flüsterte sie Wolf zu. „Irgendwie.“
Genauso unvermittelt hörte Simeon sauf zu Lachen. Anke wartete keine Sekunde.
„Erinnern Sie sich?“, begann sie und dachte bei sich. Du musst dich erinnern. Erinnern, verwirrt werden, wütend, „als kleiner Junge antwortete ihr Vater auf Ihre Frage nach dem Verbleib, Ihre Mutter hätte ihre gerechte Strafe bekommen. Erinnern Sie sich? Sie wissen bis heute nicht, was mit ihrer geliebten Mutter passiert ist. Oder? Wissen nicht, wo sie abgeblieben ist?“
Simeons Schultern unter der schwarzen Kutte schienen sich zu verkrampfen. Seine Stirn sich zu verzerren, denn die Maske kräuselte sich.
„Erinnern Sie sich?“ das Wort erinnern konnte Anke nicht oft genug sagen. „Als Sie ihn gefragt haben, hatte ihr Vater sie schon längst umgebracht.“
Ihre Strategie schien aufzugehen. Simeon strich sich fahrig die Kapuze vom Kopf und riss sich die Maske ab. Achtlos ließ er sie auf den Boden fallen. In seinem Gesicht breitete sich der Anflug eines Schmerzes aus, als ob ihm gerade jetzt erst die Bedeutung ihres Verschwindens für ihn selbst bewusste wurde. Desorientiert stierte er vor sich hin, als würde er krampfhaft versuchen, sich zu erinnern und seine Gedanken zurück in die Kindheit zu schicken. Und da wollte Anke ihn hin haben. Schritt für Schritt. Sicher überlegte er unter anderem völlig konfus, woher sie ihr Wissen hatte. Auf dem Opfertisch stöhnte Cara auf. Anke stach es in der Brust, kam sie
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