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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kobo-Jonni zog ich zwei Gelenk-Anhänger. Der KJ hat einen Acht-Liter-Stahldiesel, der jenen mächtigen Klang von sich gibt, den die Motoren üblicherweise besaßen, bevor sie aus Plastik waren. Viele Leute sind ganz verrückt nach den neuen Plastikmaschinen, weil sie kein Öl brauchen, doch ich mag Öl. Ich hatte den KJ bereits dreimal auseinander- und wieder zusammengebaut und war gerade dabei, den dritten Satz Zylinderkopfdichtungen einzufahren. Plastik dagegen wirft man einfach weg.
    Der Junge nannte mir seinen Namen, doch ich vergaß ihn sofort wieder. »Man nennt mich CD«, sagte ich. Ich warf Ricky aus und legte ›The Hag‹ auf, um ihm zu zeigen, wie ich an meinen Spitznamen gekommen war.
    Er hatte diese schmalen Augen und die fahle Haut wie jemand, der noch nie die Sonne gesehen hat, und wenn er aus der Gegend südöstlich von Louisville stammte, war es möglicherweise tatsächlich so. An seinem Akzent erkannte ich, daß er von dort kam. Ich kannte diesen Jungen genau. Er war ich selbst – vor dreißig Jahren. Du verengst die Schultern und die Augen, und da alles in der Welt neu für dich ist, versuchst du so auszusehen und dich so zu verhalten, als sei nichts ungewöhnlich.
    »Ich bin auf dem Weg nach Hazard«, sagte er.
    Das hatte ich mir schon gedacht, denn warum sonst hätte er unter dem Hinweisschild für den Zahnradlift gestanden?
    »Mein Vater arbeitet da oben am Roboterzug«, sagte er. »Ich vermute, Sie fahren über den Tafelberg.«
    Das konnte jeder an meiner Luftschleuse erkennen. Er sagte es, als sei es das natürlichste auf der Welt, aber das war es nicht. Nicht viele Lastwagen fahren über den Tafelberg. Die meisten werden nur nach Hazard hochgezogen, werden dort in den Robotzug umgeladen und fahren wieder hinunter.
    »Da sind wir«, sagte der Junge.
    Der Fuß des Tafelberges ist der einzige Teil, den die meisten Leute je zu Gesicht bekommen. Da es unter dem Wolkenschatten beinahe immer regnet, kann man den unteren Teil des Berges selten aus größerer Entfernung als zehn Meilen erkennen. Wir fuhren die alte Winchester-Umgehung östlich von der Stelle, wo einst Lexington gelegen hatte. Von dort aus wirkt der Berg wie eine Wand aus Baumstämmen und Abfall und Felsen, die beinahe senkrecht in die Wolken hochsteigt, welche in einer Höhe von etwa 11.500 Fuß schweben.
    Ich bog auf die Crab Orchard-Zubringerstraße ab, die der Bergflanke zwanzig Meilen nach Südwest folgt und dann bei einer Geisterstadt, Berea, auf den Tafelberg an einer Stelle zuführt, wo die Steigung nur etwas weniger als 45 Grad beträgt. Es waren etwa sechs Lastwagen vor mir am Zahnradlift; keiner von ihnen war ein Tafelberg-Trucker. Ich reihte mich ein und befand mich neben einem Fluß, der mit alten Autos und Häuserteilen zugemüllt war und keinen Namen trug. Viele dieser neuen Flüsse haben keinen Namen.
    Während wir für den Lift anstanden, rief ich Janet und die Mädchen mit meinem Kabinentelefon an, und der Junge stieg aus. Vielleicht war ihm der ganze Familienkram peinlich. Ich beobachtete ihn, wie er unter dem langen Bretterverschlag hin und her lief und alle Verkaufsautomaten für Süßigkeiten ausprobierte. Ich fuhr den Wagen zehn Fuß nach vorn, und hinter mir schlossen andere Lastwagen auf. Gravy Pugh kam in seinem gelben Regenmantel heran, um meine Fahrkarte abzuknipsen. »Geht’s nach ganz oben?« fragte er. »Paß auf, CD, gestern haben die Hummer Sanders erwischt.«
    Das ist sein Standardwitz. Ich fange keine Hummer mehr, und das weiß er.
    »Haben ihm seinen Schwanz abgebissen«, sagte er und knipste eine weitere Ecke meines violetten Crab Orchard-Liftpasses ab.
    Der Junge kletterte zurück in die Kabine, als mir gerade signalisiert wurde, ich solle mich der Zufahrt nähern. Er zitterte. Er hatte seine Mülltüte im Wagen gelassen, und unter dem Bretterverdeck regnet es ungefähr genauso heftig wie davor. Als ich so alt war wie er, war ich als Anhalter tausend Meilen weit gefahren, doch das hier war der Westen gewesen, wo es damals nie geregnet hatte. Ich ließ den Signalmann warten, während ich mich über den Sitz lehnte und unter den Werkzeugen und Ersatzteilen ein trockenes Flanellhemd herausfischte. Der Junge zog sein T-Shirt aus und wickelte sich in mein Flanellhemd. Er hätte zweimal hineingepaßt.
    »Ich hoffe, dein Vater erwartet dich«, sagte ich. »Du weißt, daß du in Hazard nicht einfach herumspazieren kannst.«
    »Bin schon oben gewesen«, war alles, was er sagte.
    Der Knabe hinter mir

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