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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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manövrieren, während die Fahrer im Bellew Belle sitzen. Dieses Leben kann man kaum als ein solches bezeichnen. Sie schlafen in einem Verschlag mit Druckausgleich hinter dem Kreisel.
    »Das muß der Ort sein, den du suchst«, sagte ich.
    »Vielen Dank fürs Mitnehmen, Mister.«
    »CD«, verbesserte ich. Er wollte die Luftschleuse öffnen, und ich sagte: »Stop! Hast du nicht etwas vergessen?«
    Er schaute verängstigt zu mir zurück und machte sich daran, das Hemd auszuziehen.
    Ich mußte lachen. »Behalt das Hemd, Junge«, sagte ich. »Aber du kannst hier oben nicht ohne Atemspray herumlaufen. Du bist eine Meile höher als der Mount Everest. Mach den Mund auf.« Ich besprühte seinen Rachen mit C-Level und sagte ihm, er solle sich sputen, bevor es seine Wirkung verlor.
    Er nahm seine Plastiktüte, eilte aus der Luftschleuse und verschwand im Kreisel.
    Ich fuhr quer über den Platz zum ›Bellew Belle‹. Es ist das einzige Restaurant in Hazard, und die Fahrer nennen es das ›Blue Balls‹. Es hat keine Luftschleuse; deswegen dreht sich seine Schwingtür von selbst im Luftdruck, der aus dem Innern kommt, und entläßt eine ständige kleine Duftwolke nach Kaffee und Hamburgern. Hazard kann’s gebrauchen. Es ist ein kalter, dunkler, schmutziger Ort, wo niemand leben würde, wenn er hier nicht arbeiten müßte, und wo niemand arbeiten würde, wenn er anderswo eine Stelle bekommen könnte.
    Ich fragte mich, ob der Vater des Jungen wußte, daß sein Sohn auf dem Weg zu ihm war. Und ob dieser Vater überhaupt existierte. Als ich so alt war wie er, hatte ich den Leuten weisgemacht, ich sei unterwegs nach Dallas, um meinen Paps zu besuchen, der dort Polizeioffizier sei. Wenn du nicht lügst, glauben die Leute, du wärest von zu Hause fortgelaufen.
    Tafelberg-Trucker neigen dazu, sich zusammenzusetzen. »Wie ist das Wetter da unten, CD?« fragen sie für gewöhnlich. »Wie ist das Wetter da oben?« frage ich dann zurück. Das ist unser Standardwitz, denn das Wetter unterhalb des Westhanges ist immer gleich – es regnet andauernd. Und natürlich gibt es kein Wetter auf dem Tafelberg. Es kann kein Wetter geben, wo keine Atmosphäre ist.
    Ich benutzte das Telefon im Vorraum und rief noch einmal Janet und die Mädchen an. Ich war schon zu hoch für das Telefon in der Kabine meines Trucks, und dies war die letzte Möglichkeit, um mich zu melden, bis ich von Charlotte zurück sein würde, denn Satellitengespräche über den Berg sind teuer. Einer der Knaben am Tisch sagte mir, daß Hummerscheren in Charlotte 100 $ brachten, aber sie durften keine Unfallspuren haben, denn niemand ißt Fleisch, das von einem Unfall stammt. Ich sagte ihm, daß ich nicht mehr hummerte.
    Es war kurz nach Mitternacht, und ich war gerade dabei, aufzubrechen, als der Junge durch die Schwingtür hereinkam und einen Ärmel meines Hemdes unter seine blutige Nase hielt. Er war ohne Atemspray durch die Gegend gelaufen.
    »Hast du deinen Paps gefunden?« fragte ich, und er schüttelte den Kopf. Er setzte sich und starrte die Pommes frites an, die die anderen auf ihren Tellern zurückgelassen hatten. Ich kaufte zwei Hamburger aus dem Automaten, obwohl ich schon gegessen hatte, und tat so, als wolle ich nun doch keinen davon. So muß man mit einem solchen Jungen umgehen.
    Doch ich mußte los. »Ich denke, du machst dich besser auf den Weg zum Kreisel und findest eine Mitfahrgelegenheit nach unten«, sagte ich.
    Der Junge schüttelte seinen Kopf. Er sagte, seine Mutter sei wieder verheiratet und aus Louisville fortgezogen. Angeblich hatte sein Vater zehn Dollar für ihn am Kreisel hinterlegt, damit er mit irgend jemandem nach Charlotte fahren könne, wo seine Oma lebte. Diese Geschichte glaubte ich keine Sekunde lang. Er zeigte mir denselben zusammengefalteten Zehner, den er während der Fahrt mit dem Lift beäugt hatte.
    Ich sagte: »Meine Versicherung erlaubt mir nicht, dich über den Tafelberg mitzunehmen.« Das war eine Lüge. Tatsache ist, daß kein Tafelberg-Trucker eine Versicherung hat – nicht weil es gefährlich ist, auch wenn es das manchmal werden kann, sondern weil die Hochebene kein Teil irgend eines Staates mehr ist. Sie ist versicherungstechnisch nicht einmal mehr ein Teil der Welt, wie mein Versicherungsagent sagte.
    »Ich weiß ganz genau, wo sie wohnt«, sagte der Junge, als ob er mich nicht verstanden hätte. Er nahm einen gelben Zettel aus seiner Uhrentasche und faltete ihn auseinander. Er tat sein Bestes, um nicht zu weinen.
    Als ich so

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