Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
den Arm sinken. Er stand auf und starrte in die entsetzten Gesichter der übrigen Deserteure. »Helft ihm!«
Mathias schlief bis spät in den Morgen hinein. Dann stieg er in die Dachkammer des Verletzten. Vor seinem Lager griff Mathias in die Tasche, nahm einen Dukaten und warf ihn auf die Decke. »Da, du Feigling!«
Johann Müller gab bekannt, dass die Bande am folgenden Sonntag noch einmal nach Langenfeld marschieren würde. Er schärfte dem Schiemann Engländer ein: »Keiner darf das Haus verlassen. Die Männer können hier so viel saufen, wie sie wollen. Aber wehe, einer verlässt die Herberge! Ich will nicht, dass nachher ganz Deutz mit uns nach Langenfeld geht.«
›Afromchen in der Gasse‹ war den beiden Anführern zu klein und zu hässlich. Sie luden die Krefelder ein und fuhren nach Köln. Bei der Düwels Trück hatte sich Johann mit zwei Huren angefreundet. Er blieb mit Marianne de Antoni und Marianne Lorschied bis zum Wochenende zusammen. Mathias zog in das Zimmer eines Mädchens, das ihn sanft streichelte und liebkoste.
Diepenbach trat in das Zimmer des öffentlichen Anklägers. »In Deutz geht etwas vor«, sagte er aufgeregt. Anton Keil stand wieder am Fenster und starrte in seinen Garten. »Was meinst du?«, fragte er und stützte dabei die rechte Hand an den Holzrahmen. »Einer unserer angeworbenen Bettler wollte gestern in die kleine Herberge ›Afromchen in der Gasse‹ gehen. Er war schon im Schankraum, als der Wirt ihn entdeckte. Er wurde hinausgeworfen. Der Bettler hat mindestens zehn fremde Männer in der Herberge gesehen.«
Anton Keil wandte sich um. »Es wird immer Fremde in Deutz, Köln oder sonstwo geben. Ich kann nicht jeden Fremden verhaften lassen.«
Der Sekretär nickte. »Der Bettler hat das Haus drei Stunden beobachtet. Kein neuer Gast wurde hineingelassen.«
Anton Keil überlegte. Er ging zu seinem Schreibpult und griff nach dem Federkiel. Dann ließ er ihn wieder sinken. »Wir können nichts unternehmen.«
Der Sekretär sagte zögernd: »Aber wir müssen doch etwas tun! Vielleicht können wir die Kontrolle an der ›Fliegenden Brücke‹ verstärken.«
Der öffentliche Ankläger lächelte. »Sehr gut. Keiner darf in den nächsten vierzehn Tagen über den Rhein oder in die Stadt, der sich nicht durch einen gültigen Passierschein ausweisen kann. So verhindern wir zumindest, dass die Fremden nach Köln gelangen oder von hier Verstärkung bekommen.«
Bevor Diepenbach das Zimmer verließ, rief Keil ihm nach: »Lass den Befehl vom Friedensrichter Kramer unterschreiben! Sonst werden wir wieder der Eigenmächtigkeit beschuldigt.«
28.–30. Oktober 1799
Am Sonntag, den 28. Oktober, verließen die beiden Anführer mittags das Bordell in der Schwalbengasse. Sie hatten mit den Krefeldern verabredet, dass die drei erst am Abend zu ›Afromchen in der Gasse‹ nachkommen sollten. In der engen und dunklen Markmannsgasse ergriff Mathias den Arm des Freundes. »Johann, die Kontrolle!« Er zeigte nach vorn.
Am Ende der eng stehenden Häuser lag die Anlegestelle der ›Fliegenden Brücke‹ in hellem Licht. Gerade erreichte die Fähre das Kölner Ufer. Acht französische Zollsoldaten standen in einer Kette nebeneinander und prüften die Passierscheine der Fahrgäste. Erst dann durchsuchten sie wie gewöhnlich die Taschen und Körbe. Täglich fahndeten die Zöllner unter den Passagieren nach Schmugglern, die von dem zwar besetzten, aber bergischen Deutz den teuren Zucker oder Kaffee heimlich nach Köln bringen wollten. Verdächtige Frauen wurden in das kleine Zollhaus gebracht, wo sie unter den Augen einer Beamtin ihre Röcke ablegen mussten. Noch nie aber war von jedem Fahrgast der Passierschein verlangt worden. Johann flüsterte: »Wir warten, Fetzer. Mal sehen, ob die Leute, die nach Deutz wollen, auch kontrolliert werden.«
Sie verbargen sich in einem Winkel der dämmrigen Gasse. Die Fahrgäste in Richtung Deutz wurden einzeln auf die Fähre gelassen. Auch sie mussten ein Papier vorzeigen. Ein vornehm gekleideter Mann besaß keinen Passierschein. Er gestikulierte mit den Händen, aber die Zöllner ließen ihn nicht auf die Fähre. Schließlich kam der Hauptmann aus dem Zollhaus. Kaum sah der Mann den Offizier, als er auf ihn zuging. Die beiden Räuber konnten beobachten, wie zwei Geldstücke in der Tasche des Hauptmanns verschwanden. Der Zolloffizier ging in sein Büro zurück. Gleich darauf gab er dem vornehm Gekleideten ein Papier, mit dem der Mann auf die ›Fliegende
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