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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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verließ seinen Posten und ging auf den Abtritt zu. Mathias pfiff sofort laut vor sich hin. Der Soldat hatte gerade die Tür erreicht, als Mathias sie von innen aufstieß und den Mann kurz grüßte. Er nickte so, wie Vorgesetzte den einfachen Soldaten grüßen. Der Offizier schaute ärgerlich von der Liste auf, als der fremde französische Leutnant vorbeischritt, dann sah er wieder auf die Dukatensäcke, die ihm anvertraut waren.
    Mathias atmete auf, als er ungehindert den Schankraum erreicht hatte. Er nickte dem Straßburger zu, und die beiden bezahlten. Der Wirt erkannte seine früheren Gäste nicht, bedankte sich mit vielen Verbeugungen für das große Trinkgeld und öffnete ihnen die Tür.
    »Ich hab alles gesehen. Morgen Früh sind wir reich«, sagte Mathias draußen.
    Die beiden überprüften bei ›Afromchen in der Gasse‹ ihre Männer. Mathias kontrollierte jede Pistole und jedes Gewehr. In der Dämmerung gab Johann den ersten Marschbefehl. »Wir treffen uns an dem Heiligenhäuschen kurz hinter Opladen.« Er beschrieb genau die Wege und den Waldrand, vor dem es stand. Die Männer verließen zu zweit oder zu dritt die Herberge. Die Waffen und Wachslichter trugen sie in Säcken auf dem Rücken. Mathias hatte Johann das Brecheisen überlassen. Er war sicher, dass der Freund das Stürmen des Gasthauses leichter schaffen würde als er.
    Am Muttergottesbild verständigten die Ankommenden sich durch Vogelschreie mit den Wartenden. Um zehn Uhr waren alle siebzehn Männer eingetroffen. Mathias rief sie mit halblauter Stimme zusammen. »Wir werden den Geldtransport überfallen, den von Deutz nach Elberfeld. Der Johann macht den Anführer.«
    Einer der Räuber stöhnte. »Das schaffen wir nicht.«
    »Wer war das?«, fragte Johann mit scharfer Stimme. Der Mann trat vor und erhielt von dem Straßburger eine heftige Ohrfeige.
    »Natürlich knacken wir den Wagen. Wir haben es lange durchgeplant. Jeder muss nur machen, was ich sage, dann sind wir morgen alle reich.«
    Der Anführer teilte die Männer in drei Gruppen auf Mathias, Zülcher Wilhelm und Schiemann Engländer, die Offiziere, waren wie immer die Wache. Vier Räuber bekamen den Befehl, die angebundenen Hunde zu erschießen. Zu den übrigen neun Männern sagte Johann: »Wir rennen die Tür ein und fallen über die Gäste, Soldaten und Bewohner her. Wer sich wehrt, wird abgeknallt. Sobald ich das Licht im Gastraum ausschlage, stürmen wir den Wagen.«
    Der Straßburger ging dicht an den Gefährten vorbei. »Wer glaubt, dass wir’s nicht schaffen?« Keiner der Männer wagte, etwas zu sagen. Johann gab den Befehl zum Abmarsch. »Ihr geht jetzt zu dritt im Abstand von dreißig Schritten!« Er selbst marschierte mit Mathias als Erster los und summte abgehackt ein französisches Soldatenlied. Eine Stunde waren sie schon gegangen, als Mathias stehen blieb. »Johann, es ist mir zu still hinter uns. Warten wir auf die Männer!« Nach fünf Minuten waren der Zülcher Wilhelm, Schiemann Engländer und noch fünf Gefährten eingetroffen. Nach einer halben Stunde fluchte der Straßburger: »Diese elenden Feiglinge! Diese feigen Hunde!«
    Es fehlten acht Mann: die zwei, die von der Düwels Trück angebracht worden waren, und noch sechs, die Schiemann Engländer aus Mainz mitgebracht hatte. Sie hatten sich heimlich davongemacht. Johann hieb das Brecheisen gegen einen Baumstamm. Sie überlegten. Mathias sagte flüsternd: »Wir müssen zurück. Ich werd die Feiglinge noch heute Nacht finden.« Er schlug die Fäuste gegeneinander.
    Erst nach Mitternacht erreichten sie ›Afromchen in der Gasse‹.
    Die Deserteure saßen oben in einer Dachkammer zusammen. Mathias stürmte die Stiegen hoch. Er riss die Tür auf, packte den ersten, den er fassen konnte, und trat ihm zweimal zwischen die Beine. Als der Mann sich krümmte, riss ihn Mathias an den Ohren runter und stieß ihm das Knie heftig ins Gesicht. Es knackte trocken, und der Kumpan schrie. Mathias warf sich auf ihn, nahm die Pistole am Lauf und knallte sie dem Verletzten auf den Schädel, holte wieder aus, der Arm blieb oben. Mathias sah plötzlich den eingeschlagenen Schädel von Gertrud vor sich. Für einen Augenblick hatte sich der Pistolenknauf in das blutige Ende des kurzen Knüppels verwandelt. Der Rausch riss wie ein Schleier. Mathias sah den Mann unter sich. Beide Augen waren zugepresst. Blut quoll aus einem breiten Riss und schmierte über den Backenknochen bis hin zum Mund. Die Zähne gebleckt, röchelte er. Mathias ließ

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