Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
verraten.«
»Was soll das heißen?«
»Das war genau die dämliche Reaktion, die von einer ahnungslosen Unbeteiligten zu erwarten war. Ich glaube nicht, dass Sie mich zu täuschen versuchen. Nicht mehr. Ich glaube, Sie sind getäuscht worden.«
Andrea schwieg zunächst, aber ihre Gedanken waren laut, forderten ihre Aufmerksamkeit. Schließlich sprach sie weiter. »Ich höre Ihnen jetzt zu. Erzählen Sie mir noch mal, wem das Handy gehört hat, dessen Nummer ich in den Unterlagen der Stiftung gefunden habe.«
»Es hat einem Mann gehört, der in der Killerbranche war. Einem kampferprobten Profikiller.«
»Wieso sollte jemand von der Bancroft-Stiftung einen Mann dieser Art anrufen?«
»Das wüsste ich gern von Ihnen.«
»Keine Ahnung.«
»Aber Sie scheinen nicht völlig schockiert zu sein.«
»Ich bin schockiert«, sagte sie. »Nur nicht … völlig.«
»Also gut.«
»Sie haben gesagt, Sie seien von Beruf Geheimagent gewesen. Wen kann ich bei Ihrer ehemaligen Dienststelle anrufen?« Ein schmallippiges Lächeln.
»Sie wollen Referenzen?«
»Irgendwas in dieser Art. Ist das ein Problem?«
Er musterte sie abschätzend. »Soll ich nicht vorher die Bancroft-Stiftung anrufen? Fragen, was Sie hier im Süden zu suchen haben. Beziehungsweise im Research Triangle Park. Schließlich hatten Sie im dortigen Radisson ein Zimmer reserviert.«
»Das ist keine gute Idee«, sagte Andrea.
Ein frostiges Lächeln. »Dann scheint’s ein Patt zwischen uns zu geben.«
»Dieses Gespräch ist beendet.«
»Wirklich?« Der Mann bewegte sich nicht weiter, als sei er sich darüber im Klaren, dass nur sein absolutes Stillhalten sie bisher
daran hinderte, die Flucht zu ergreifen. »Aus meiner Sicht hat es noch gar nicht richtig angefangen. In den letzten paar Stunden hatte ich Zeit, unter verschiedenen Prämissen über unsere Begegnung nachzudenken. Ein Mann bedroht Sie mit einer Waffe. Sie fragen ihn, ob die Bancroft-Stiftung ihn geschickt habe. Was sagt mir das? Dass diese Institution etwas an sich hat, das Ihnen Sorgen macht. Sie befürchten das Schlimmste. Etwas, das logischerweise mit diesem plötzlichen Besuch im RTP zu tun haben muss. Sie haben Ihre Tickets erst am Abflugtag gebucht. Das ist ein bisschen irregulär. Sie sind auf der Suche nach etwas, genau wie ich.«
»Aber ich suche nicht das Gleiche wie Sie.«
»Trotzdem könnte es eine Verbindung geben.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Bis ich mehr weiß, muss ich Ihnen recht geben. Nehmen wir uns also die ›Vielleicht‹-Option vor.« Der Mann zeigte auf den Sessel am Fenster. »Darf ich mich setzen?«
»Das ist verrückt«, sagte Andrea. »Ich kenne Sie doch gar nicht! Ich soll Risiken auf mich nehmen, zu denen ich keinen Anlass habe.«
»Mein Freund Jared sagt immer: ›Wer nicht würfelt, ist nicht mit im Spiel.‹ Nehmen wir mal an, wir gehen jetzt auseinander, sehen uns nie wieder. Dann haben wir unsere einzige Chance verpasst, einander zu helfen. Damit will ich sagen, dass jede verpasste Chance auch ein Risiko ist – manchmal ein viel größeres.«
»Gut, Sie können sich setzen«, sagte Andrea schließlich, »aber Sie können nicht hierbleiben.«
»Ich habe eine Neuigkeit für Sie, Andrea Bancroft. Sie sollten auch lieber nicht hierbleiben.«
Das Paar, das sich in einem nahe gelegenen Marriott ein Zimmer nahm, trug sich weder unter dem Namen Belknap noch Bancroft ein, und das gemeinsame Zimmer hatte nichts mit dem
Wunsch nach Intimität, sondern nach Sicherheit zu tun. Trotz des noch verbliebenen Misstrauens hatten die beiden sich als Suchende mit ähnlichem Ziel erkannt, deren Gespräch weitergehen musste.
Kommunikation brachte jedoch keine Klarheit. Alle Hoffnung, die Geschichten beider würden sich wie Teile eines Puzzles ergänzen, verflüchtigte sich rasch. Statt Antworten zu finden, sahen sie sich mit immer mehr Rätseln konfrontiert.
Paul Bancroft. War er Genesis? Nach Andreas Beschreibung erschien er Belknap als ungewöhnlich großzügiger Wohltäter – oder vielleicht das genaue Gegenteil. Die Ressourcen, über die er verfügte, und dazu seine beträchtlichen intellektuellen Fähigkeiten würden ihn zu einem imponierenden Verbündeten … oder Gegner machen.
»Genesis war also der Codename des Kerls, der die Treffen in Inver Brass organisiert hat«, rekapitulierte Belknap.
»Eigentlich mehr ein Titel. Er hat immer den bezeichnet, der gerade an der Spitze stand.«
»Inver Brass – könnte jemand den alten Bund
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