Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
daran getan, Jared zu vertrauen, worauf konnte er überhaupt vertrauen?
Konnte er sich selbst trauen, wenn er sich in diesem Mann getäuscht hatte? Diese Fragen durchdrangen ihn wie kalter Stahl. Er wälzte sich in seinem Bett, warf sich herum, deckte sich auf und starrte – seinem Gefühl nach eine Stunde lang – die Zimmerdecke an.
Er hörte ferne Verkehrsgeräusche und nahe Atemzüge. Andreas Atmung war zunächst tief, regelmäßig wie ein Metronom. Dann begann sie unruhig zu werden. Er hörte sie im Schlaf leise aufschreien, gedämpfte Verzweiflungslaute, und als er sich ihr zuwandte, schlug sie um sich, als müsse sie sich gegen unsichtbare Angreifer wehren.
Er kam zu ihr, berührte ihr Gesicht. »Andrea«, flüsterte er.
Sie schlug im Schlaf, von einem Albtraum geschüttelt, erneut um sich, und er hielt ihre fuchtelnden Arme fest.
»Andrea«, wiederholte er.
Sie öffnete die Augen, starrte entsetzt um sich. Jetzt atmete sie schwer, als sei sie gerannt.
»Schon gut, schon gut«, sagte er. »Du hast einen Albtraum gehabt.«
»Einen Albtraum«, wiederholte sie, noch schlaftrunken.
»Du bist jetzt wach. Du bist hier bei mir. Alles ist in Ordnung.« Das schwache Licht – der an den Rändern der Jalousien einfallende Widerschein der Straßenbeleuchtung – modellierte ihre Wangenknochen, ihre weiche Haut, ihre Lippen.
Ihr Blick wurde klar, und sie erkannte seine tröstliche Lüge. »Bitte«, sagte sie. »Bitte nimm mich in die Arme.« Ein geflüsterter Befehl.
Er strich ihr die feuchten Haare aus der Stirn, schloss sie in die Arme. Ihr Körper war schlank und straff. Sie war warm und wärmte auch ihn.
»Andrea«, sagte er heiser. Er atmete tief, war von ihrem Duft, ihrer Wärme, ihrer Ausstrahlung leicht berauscht. Ihr Gesicht leuchtete wie Porzellan.
»Es ist nicht vorbei, oder?«, fragte sie. »Auch der Albtraum nicht.«
Er zog sie enger an sich, und sie klammerte sich an ihn: erst angstvoll, dann zunehmend liebevoll zärtlich.
Er brachte seinen Kopf dichter an ihren heran. »Andrea«, murmelte er, und sie küsste ihn und schlang die Arme um ihn, und bald fühlten ihre Körper sich wie einer an: angespannt und biegsam und erzitternd und glühend. Das war ihre Art, die Gewalt und den Tod zu negieren, die sie erlebt hatten, eine Bejahung angesichts ständiger Negationen, ihre Art, in einer alles verneinenden Welt Ja zu sagen.
Kapitel dreiundzwanzig
Niemand war publicitysüchtiger als ein Juniorsenator in Washington. Deshalb erfüllte Senator Kenneth Cahill, der zweite Mann aus Nebraska, die Voraussetzungen in idealer Weise. Im Wahlkampf war er von der Heimatpresse bestimmt ausgiebig gewürdigt worden; sobald er gewählt war, mussten sein Stab und er das Schweigen der Washingtoner Medien als qualvoll empfunden haben. Leute, die nach öffentlichen Ämtern strebten, konnten Stille nur selten genießen.
Der Eröffnungszug war lachhaft einfach gewesen. »John Miles« von Associated Press rief sein Büro an und bat um ein Interview wegen eines wichtigen Antrags, den Cahill im Innenausschuss unterstützt hatte – zwei Millionen Dollar für den Ausbau der Kläranlage Littleton und die Anlage neuer Rückhaltebecken im Jefferson County. Der Senator reagierte genau so, wie Belknap vorausgesagt hatte. Cahills Stab hatte ihm angeboten, ihn mit dem Auto abholen zu lassen.
Seinen Arbeitgeber hatte Belknap keineswegs willkürlich gewählt. Journalisten von Associated Press blieben im Allgemeinen anonym, das wusste er, und als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme hatte er klargemacht, dass er kein Washingtoner Journalist war, sodass er für Cahills Stab ein Unbekannter sein würde. Die vierhundertfünfzig AP-Büros beschäftigten fast viertausend Mitarbeiter; zu sagen, man arbeite für AP, war nicht viel anders, als zu sagen, man sei New Yorker. AP-Journalisten würden nicht voneinander erwarten, einen Kollegen zu erkennen.
Allerdings würde niemand in Cahills Büro auf die Idee kommen, diesen Journalisten zu überprüfen. Für einen Juniorsenator
war Publicity ein Lebenselixier, und Cahill, der in der Dienstaltersliste des Senats an vorletzter Stelle stand, dürstete danach. »Miles« vereinbarte also einen Interviewtermin um fünfzehn Uhr.
Belknap erschien fünf Minuten vor der vollen Stunde im Foyer des Hart Senate Office Buildings. Um den Hals trug er ein gelbes Nylonband, an dem eine dicke Plastikkarte mit einem Magnetstreifen baumelte. Unter dem Wort PRESSE in Großbuchstaben standen der Name John Mills,
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