Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Konfekt sein.«
»Wer sagt das?«
»So sagt man, okay?« Das starre Lächeln der Bedienung blieb unverändert.
Sachs tippte auf einen der kursiv gedruckten Slogans auf der Speisekarte. »Hier steht: ›Fragen heißt wachsen.‹«
»Bringen Sie ihm eine Tasse von dem beruhigenden Kava Kava«, sagte Belknap. Obwohl er innerlich Panik und Verzweiflung empfand, konnte er sich’s nicht leisten, den Mann zu erschrecken oder sich zu entfremden. Er musste gelassen wirken, als habe er alles unter Kontrolle.
»Nein, ich nehme lieber den Ruhespender.« Sachs spielte an einem Ohrläppchen herum, in dem er früher einen Ohrstecker getragen hatte und das jetzt nur noch schwach erkennbar durchstochen war.
»Ich auch«, sagte Belknap zu der Bedienung.
»Wo ist Andrea also?«, fragte Walt nochmals. »Ich vermute, dass ich nicht hier bin, weil Ihre Festplatte den Geist aufgegeben hat.«
»Haben Sie jemandem erzählt, wohin Sie wollten – dass Sie sich mit mir treffen?«, fragte Belknap.
»Ihre Anweisungen waren völlig klar, Todd, alter Junge.«
»Heißt das nein?«
»Das heißt nein. Logikgatter: offen.«
Belknap zog die Fotokopie, die Senator Kirks Stabschef ihm gegeben hatte, aus der Hemdtasche und übergab sie wortlos Sachs.
Der IT-Spezialist faltete die Fotokopie auseinander und wedelte sie durch die Luft. »Klamm!«, sagte er. »Die haben Sie im Hintern rausgeschmuggelt, was?«
Ein mörderischer Blick durchbohrte ihn. »So vergeuden wir nur Zeit«, knurrte Belknap. »Entschuldigung«, fügte er hinzu, »aber diese Sache ist … ein bisschen dringend.«
Der Computerguru warf einen Blick auf den Text, dann sagte er ernst: »Nehmen Sie sich ein Johannisbrot-Plätzchen.«
»Der Quellcode dieser E-Mail. Sagt er Ihnen etwas?«
»Ich habe eine Theorie, dass niemand Johannisbrot-Plätzchen mag«, fuhr Sachs fort. »Aber vielleicht ist das etwas voreilig. Schließlich gibt’s Generationen, die erst noch geboren werden.«
»Walt, bitte konzentrieren Sie sich. Ist das hier eine Sackgasse oder nicht?«
Der Techniker schnaubte. »Wie soll ich’s ausdrücken? Dies ist die Mutter aller Sackgassen.« Er zog einen Drehbleistift aus der Tasche, umringelte damit eine Ziffernfolge. »Sackartiger geht’s nicht. Wissen Sie, was ein anonymer Remailer ist?«
»Ich habe eine ungefähre Vorstellung davon. In groben Zügen. Vielleicht könnten Sie’s mir erklären.«
Walt starrte ihn einen Augenblick lang an. »E-Mail hat viel Ähnlichkeit mit normaler Post. Sie geht von einem Postamt zum anderen, macht vielleicht in einem großen Sortierzentrum halt und erreicht zuletzt das örtliche Postamt. Eine typische E-Mail erreicht ihr Ziel in fünfzehn bis zwanzig Etappen. Bei jedem Zwischenhalt hinterlässt sie einen kleinen Krümel von sich und bekommt einen Code mit, der wie ein Visumstempel zeigt, wo sie gewesen ist. Nehmen wir mal an, Sie wären in Kopenhagen und wollten über ihren AT&T-Account eine Mail nach Stockholm schicken. Ihre Mail hüpft mal hierhin, mal dorthin und wird vielleicht über Schaumburg, Illinois, umgeleitet, bevor sie durch einige andere Netzwerke hüpft und im PC Ihres Freundes in Schweden landet. Was ein paar Sekunden dauern kann.«
»Klingt kompliziert«, sagte Belknap.
»Dabei habe ich alles noch sehr einfach ausgedrückt. Weil diese E-Mail nicht auf einmal übermittelt wird. Das System zerlegt sie in handliche kleine Pakete, weil alles die richtige Größe für die Leitungen und das System aus Servern haben muss. Sie müssen
bedenken, dass Tag für Tag Milliarden von E-Mails zu befördern sind. All diese kleinen Pakete erhalten eine Identifizierungsnummer, damit sie am anderen Ende wieder zusammengesetzt werden können. Die meisten Leute interessiert nicht, welchen Weg ihre Mail genommen hat, deshalb werden die entsprechenden Angaben nicht angezeigt. Aber sie reisen trotzdem mit. Will man sie sehen, wählt man die Quellcode-Ansicht. Danach benützt man ein einfaches Programm wie Traceroute, das die vollständige Übermittlungsroute darstellt.«
»Wie sicher ist das System?«
»Mit einem gewöhnlichen Internet-Provider? Das ist die unsicherste Form der Nachrichtenübermittlung, die man sich vorstellen kann: Ohne Verschlüsselung gleicht jede E-Mail einer Postkarte. Sie verstehen, was ich meine?« Während er sprach, begann er ein Johannisbrot-Plätzchen zu zerteilen und die Teile nochmals zu zerkrümeln. »Dazu kommt die Tatsache, dass jeder Computer eine einzigartige digitale Signatur hat, eine
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