Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
raschen Blick unters Bett trat der Wärter ins Bad und inspizierte es gründlich.
»Also gut. Ausbrechen können Sie unmöglich, also tun Sie uns beiden einen Gefallen und machen Sie hier nichts kaputt.«
»Wo bin ich? Und wer sind Sie?« Das waren Andreas erste Worte. Ihre Stimme war kräftiger, ruhiger, als sie zu hoffen gewagt hatte.
Der Wärter schüttelte nur den Kopf. Sein Blick war spöttisch amüsiert.
»Bekomme ich Kleidung zum Wechseln?«
»Das ist wahrscheinlich okay«, sagte der Wärter. Er hatte also nichts zu entscheiden, sondern führte die Befehle anderer aus. »Allerdings wozu?«
»Weil Sie mich bald gehen lassen?« Sie versuchte, einen Blick auf seine Armbanduhr zu erhaschen.
»Klar. So oder so.« Der Wärter wirkte amüsiert. »Trotzdem schlage ich vor, dass Sie schon mal Ihren Frieden mit Gott machen, Ma’am.«
»Bitte«, forderte sie ihn auf, »sagen Sie mir Ihren Namen.« Gelang es ihr, irgendeinen menschlichen Kontakt mit dem Wärter herzustellen, konnte sie vielleicht mehr von ihm erfahren und
ihn dazu bringen, sie nicht nur als einen aufzubewahrenden Gegenstand zu sehen.
»Ma’am, dies ist kein Gemeindepicknick«, wehrte der Mann ab. Seine Hechtaugen starrten sie an. »So viel sage ich Ihnen umsonst.«
Andrea setzte sich aufs Bett, raffte mit einer Hand die Decke an sich.
»Tut mir leid, dass die Bettdecke so steif ist«, sagte der Wärter. »Unzerreißbares Nylon mit festem Segeltuchrand – eine so genannte Selbstmörderdecke. Wir hatten gerade keine andere.«
»Woher sind Sie? Ursprünglich, meine ich.« Ein neuer Versuch. Sie durfte sich nicht entmutigen lassen.
Über das Gesicht des Wärters zog ein langsames Lächeln. »Ich weiß, was Sie zu tun versuchen. Okay, ich komme aus dem Süden, aber das heißt nicht, dass ich blöd bin. Einer von uns bringt Ihnen in ein paar Stunden Ihr Essen.«
»Bitte …«
»Klappe halten!« Ein höfliches Lächeln, als er die Mütze abnahm. »Ma’am, Sie haben es nur meiner Professionalität zu verdanken, dass ich Sie jetzt nicht brutal vergewaltige.« Er setzte die Mütze wieder auf. »Schönen Tag noch, Ma’am.«
Beim Hinausgehen fragte Andrea ihn: »Wie viel Uhr ist’s jetzt?«
»Sie möchten wissen, wie viel Zeit Ihnen noch bleibt, nicht wahr?«, antwortete der Mann. »Nicht verdammt viel.«
Belknap bemühte sich um einen leichten Tonfall, als er Andreas Freund Walter Sachs bei der Fondsgesellschaft anrief, bei der sie gearbeitet hatte. Er durfte ihn auf keinen Fall scheu machen. Andrea hatte ihm vertraut. Das würde auch er tun müssen.
Der von Sachs vorgeschlagene Treffpunkt erwies sich als ein vegetarisches Restaurant in Greenwich, Connecticut. Die wenigen Gäste ließen darauf schließen, das Angebot sei eher dürftig.
Belknap setzte sich in den rückwärtigen Teil und hielt Ausschau nach einem Mann in einem grünen Leinensakko.
Schließlich sah er einen großen Mann mit langem, rechteckigem Gesicht hereinkommen. Sein grau meliertes braunes Haar war an den Seiten sehr kurz geschnitten. Er hatte ein Grübchen im Kinn und einen im Vergleich zu den Gliedmaßen etwas zu kleinen Rumpf. Als Belknap ihm grüßend zuwinkte, nahm Scott ihm gegenüber Platz. Seine Augen waren leicht gerötet und glasig, als habe er Pot geraucht, obwohl er nicht danach roch.
»Ich bin Walt«, sagte der Mann.
»Todd.«
»So«, sagte Walt Sachs. Er machte der Bedienung ein Zeichen. »’ne Menge Mantel-und-Degen-Scheiß. Plötzliche Treffen mit Unbekannten. Was ist eigentlich mit Andrea?«
»Der geht’s gut. Wir reden miteinander, weil ich weiß, dass sie Ihnen manche Dinge anvertraut hat.« Die Bedienung kam und stellte ihnen einen Teller hin.
»Gratis«, sagte sie. »Eine Spezialität des Hauses. Johannisbrot-Plätzchen.«
»Was ist Johannisbrot eigentlich?«, fragte Walt Belknap. Vielleicht versuchte er, das Eis zu brechen.
»Weiß ich auch nicht«, sagte Belknap, der mühsam seine Ungeduld beherrschte.
Die Bedienung, die zu einem T-Shirt aus ungebleichter Baumwolle eine Haremshose aus grobem Leinen trug, lächelte humorlos. »Johannisbrot kommt aus der Fruchtkapsel des Johannisbrotbaums. Es ist fettfrei, reich an Ballaststoffen, kein Allergen, hoch proteinhaltig und frei von Oxalsäure. Und es schmeckt genau wie Schokolade.«
»Nein, das tut’s nicht.« Walts Blick war durchdringend ungläubig.
»Ähnlich wie Schokolade. Viele Leute ziehen es Schokolade vor.«
»Nennen Sie mir einen.«
»Es soll das gesündeste natürliche
Weitere Kostenlose Bücher