Die Bank im Park
getan?« fragte er.
»Bei Euch zu erscheinen, Sire.«
»Und warum das nicht?«
Wärst du doch dann weggeblieben, du Idiot, dachte der Dauphin.
»Weil die Angelegenheit«, entgegnete sich aufrichtend der Präfekt, »der Gegenstand meines untertänigsten Vortrags, die Angelegenheit, ja …«
Großer Gott, dachte der Dauphin. Die erste Welle des untertänigsten Mundgeruchs hatte ihn erreicht.
»… sehr delikat ist«, ergänzte der Präfekt.
Delikat nenne ich weiß Gott etwas anderes, sagte sich der Dauphin, der im Moment nur einzig und allein an diesen Mundgeruch denken konnte.
»Ganz außerordentlich delikat ist«, bekräftigte der Präfekt.
»Inwiefern?« –
»Die Sache betrifft Ihre Königliche Hoheit.«
»Mich?«
Der Präfekt schüttelte den Kopf.
»Nein, denn dann hätte ich Eure Königliche Hoheit gesagt.«
Stimmt ja, dachte der Dauphin, der in seiner Konzentrationsfähigkeit durch den schubweisen Mundgeruch des Präfekten beeinträchtigt war, und erwiderte: »Ihr meint also die Dauphine?«
Der Präfekt nickte.
»Und?« stieß der Dauphin kurz hervor, wahrscheinlich, um das Ganze möglichst kurz zu gestalten.
»Darf ich«, sagte der Präfekt, »etwas ausholen, Königli…«
»Nein!« rief der Dauphin spontan. »Ihr wißt, wie knapp bemessen jede Audienz sein muß, die ich Euch gewähre. Das hat seinen Grund. Meine Zeit ist begrenzt, also los!«
Der Präfekt räusperte sich.
»Euch ist bekannt, Sire, daß Ihre Königliche Hoheit den Wunsch hatte, den Bois de Boulogne aufzu…«
Noch einmal mußte sich der Präfekt räuspern.
»… aufzusuchen, Sire.«
»Ganz recht, das ist mir bekannt.«
»Ich ließ den Bois vorher rasch absperren …«
»Das kann ich mir denken.«
»… da ich ja für die Sicherheit Ihrer Königlichen Hoheit verantwortlich bin.«
»War sie begeistert davon?«
»Offengestanden, nein, Sire.«
»Das überrascht mich nicht. Die Maßnahme der Absperrung war aber richtig von Euch.«
Der Präfekt räusperte sich abermals, ehe er fortfuhr: »Trotzdem …«
»Was trotzdem?«
»Trotzdem gelang es einem niederen Subjekt, sich im Bois zur fraglichen Zeit aufzuhalten.«
»Das gelang einem niederen Subjekt?« spottete der Dauphin. »Hat man so etwas schon erlebt?«
»Für den verantwortlichen Offizier muß ich mir die angemessene Bestrafung noch ausdenken, Sire.«
Die Erregung, mit welcher der Präfekt zu kämpfen hatte, veranlaßte ihn zu verstärkter, rascher Atemtätigkeit, und das wiederum erinnerte den Dauphin ein weiteres Mal ganz plötzlich und intensiv daran, wie knapp gemessen seine Zeit für Audienzen war.
»Ich zähle jetzt bis drei«, sagte er zum Präfekten. »Wenn ich dann nicht weiß, was Ihr eigentlich hier wollt, lasse ich Euch hinauswerfen …«
»Sire, ich …«
»Eins …«
»Ihre Königliche Hoheit hat … hat …«
»Zwei …«
»… jenes Subjekt …«
»Drei …«
»… geküßt!«
Stille herrschte, dann stieß der Dauphin hervor: »Was hat sie?«
»Sie hat jenes Subjekt geküßt, Sire.«
Der Dauphin sprang auf. »Geküßt?!« rief er.
»Geküßt, Sire.«
Der Präfekt glaubte sein Spiel schon gewonnen und stieß nach: »Mit nicht mehr zu steigernder Innigkeit, Sire. Ich sage nicht zuviel.«
Und in der Tat, der Dauphin schien außer sich. Seine Augen flammten, sein Gesicht war rot angelaufen. Er fing an zu brüllen: »Wer war der Kerl? Ihr habt ihn doch sicher sofort arretiert?«
»Nein, Sire«, antwortete der Präfekt und fuhr, als die Hand des Dauphins nach der Reitgerte zuckte, die immer auf seinem Schreibtisch lag, rasch fort: »Das hätte Ihre Königliche Hoheit ganz bestimmt untersagt.«
Die Reitgerte blieb, züchtigungsbereit halb erhoben.
»Ihr habt also das Subjekt entweichen lassen?«
»Er ist uns absolut sicher, Königliche Hoheit. Innerhalb kürzester Zeit können wir ihn haben – ohne Wissen der Dauphine. Er ist uns bekannt.«
»Wer ist es? Ein Graf? Ein Herzog? Ein …« der Dauphin schluckte, »… junger Offizier?«
Ein junger Offizier, das wäre das Schlimmste gewesen.
»Ihr habt zwar«, fuhr der Dauphin fort, ehe der Präfekt antworten konnte, »von einem niederen Subjekt gesprochen – aber das ist doch wohl nicht möglich?«
»Doch, Sire.«
Nach diesem Schlag setzte sich der Dauphin erst mal wieder hin. Daß sich die Dauphine, seine Frau, die er ja liebte, so sehr hatte vergessen können, daß sie so tief hatte sinken können, keinen Grafen, keinen Herzog, keinen … jungen Offizier zu küssen, sondern einen
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