Die Bank
gewöhnlich die Achtspurkassetten befinden, breiter aussieht als normal. Die silberfarbene Plastik an den Ecken ist weggeschnitten worden, als hätte jemand versucht, ihn größer zu machen. Neugierig tritt Charlie näher und hockt sich vor das Gerät.
»Miststück!« flüstert er.
»Was ist denn jetzt?« Ich trete hinter ihn und versuche, in dem schwachen Licht etwas zu erkennen. Er deutet auf das Tonband.
»Ich verstehe es nicht!« sage ich.
»Ollie. Hier …« Er deutet nicht auf das Gerät, sondern auf den Nachttisch. »Sieh dir den Staub an.«
Ich beuge mich so weit herunter, daß ich die dicke Staubschicht auf dem Nachttisch wahrnehmen kann.
»Es ist so perfekt, daß es einem kaum auffällt«, sagt Charlie. »Als hätte nie jemand etwas daraufgestellt oder es auch nur berührt. Und zwar seit Monaten nicht, obwohl es direkt neben ihrem Bett steht.« Er dreht sich zu mir um und starrt mich mit starrer Miene an.
»Was soll das hier werden? Eine Razzia in meiner Unterwäsche?« fragt eine Stimme hinter uns.
Charlie fährt herum. Und sieht sich Gillian gegenüber.
Sie schaltet das Licht an und zwingt uns, die Augen zusammenzukneifen. »Was macht ihr in meinem Zimmer?«
40. Kapitel
»Das Tonband gehört dir?« fragt Charlie. »Wir haben … gerade dieses beeindruckende Achtspurgerät bewundert.« Er deutet mit dem Daumen über seine Schulter, aber Gillian folgt seiner Bewegung nicht. Sie steht mit gekreuzten Armen da und schaut ihn argwöhnisch an. Ich kann es ihr nicht verdenken. Wir sollten nicht in ihren Sachen herumschnüffeln.
»Hör zu, es tut mir wirklich leid«, sage ich. »Ich schwöre dir, daß wir nichts angefaßt haben.« Dann sieht sie mich an und unterzieht mich demselben Test. Aber im Gegensatz zu Charlie lüge ich nicht und bin auch nicht nervös oder herablassend. Ich sage ihr die reine Wahrheit und hoffe, daß sie genügt. »Ich … Ich wollte einfach nur mehr über dich herausfinden.«
Perfekt , signalisiert mir Charlie mit einer Grimasse.
Er denkt, ich ziehe eine Nummer ab, aber in gewisser Hinsicht sind diese Worte die aufrichtigsten, die ich seit langem geäußert habe. Es sind eine Menge Leute hinter uns her, doch Gillian ist die einzige, die uns ihre Hilfe angeboten hat. Während sie mich dazu bringt, den Blick zu senken, bleiben ihre Arme vor der Brust gekreuzt. Ihre Freundlichkeit ist plötzlich verschwunden. Und dann, einfach so, kehrt sie wieder zurück.
»Es ist wirklich ziemlich cool, stimmt’s?« Ihre Schultern zucken.
Ich lächle ihr ein Dankeschön zu. Charlie ist so viel Freundlichkeit verdächtig, und er sieht sich um, ob sie vielleicht einen anderen meint.
»Das Tonbandgerät«, erklärt sie und geht aufgeregt zu dem Nachttisch.
Sie schiebt meinen Bruder kurzerhand beiseite und setzt sich neben mich auf das Bett. Sie wippt zurück, dann vor und dann noch ein bißchen zurück. »Warte nur, bis du siehst, was mein Vater damit gemacht hat«, erklärt sie eifrig. Sie meint mich. »Drück mal auf Pause. «
Sie lacht auf dieselbe melodische Art wie vorher; doch mein Bruder irritiert mich, indem er auf den Boden deutet. Gillian hat ihre nackten Zehen wie Fäuste auf dem Boden zusammengekrallt.
Siehst du? Charlie runzelt die Stirn und wirft mir den Blick zu, mit dem er gewöhnlich auf Beth reagiert.
Gillian schaltet das Gerät ein und lehnt sich dann wieder auf ihre Hände zurück. »Drück einfach auf Pause «, wiederholt sie.
Ich folge den Instruktionen und drücke den Knopf. Die alte Maschine läßt ein mechanisches Surren hören. Irgendwie kommt mir das Geräusch bekannt vor. Und gerade, als ich es zuordnen kann, schiebt sich ein CD-Spieler mit einer CD aus dem verbreiterten Schlitz, in den man normalerweise eine Achtspurkassette steckt.
»Echt cool, was?«
»Woher kommst du noch mal?« will Charlie plötzlich wissen.
»Wie bitte?«
»Woher kommst du? Wo bist du aufgewachsen?«
»Hier«, gibt Gillian zurück. »Etwas außerhalb von Miami.«
»Das ist aber merkwürdig«, meint Charlie. »Ich hätte schwören können, daß ich, als du eben ›echt cool‹ gesagt hast, einen Hauch von einem New Yorker Akzent gehört habe.«
Gillian ist sichtlich amüsiert und schüttelt den Kopf, ohne allerdings meinen Bruder aus den Augen zu lassen. »Nein, nur Florida«, erwidert sie vollkommen entspannt. So kann man es am besten mit ihm aufnehmen … Indem man sich gar nicht mit ihm einläßt. Sie dreht sich wieder zu mir und dem CD-Achtspurgerät um. »Schau dir mal die
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