Die Bank
Disc an«, fordert sie mich auf.
Ich spieße sie mit einem Finger auf. Die gesammelten Reden von Adlai E. Stevenson. »Ich nehme an, dein Dad hat das hier gemacht?«
»Seit er Disney verlassen hat, hatte er viel zuviel Zeit. Er hat immer …«
»Und wann bist du wieder hier eingezogen?« unterbricht Charlie sie.
»Wie bitte?« Wenn sie gereizt ist, läßt sie es sich jedenfalls nicht anmerken.
»Dein Dad ist vor sechs Monaten gestorben. Wann bist du hier eingezogen?«
Sie lächelt verspielt, springt vom Bett auf und geht ans Fußende.
Siehst du das? fragt Charlies Blick. Denselben Trick benutze ich auch bei dir. Distanz, um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen.
»Ich weiß nicht genau«, sagt sie. »Ich glaube, etwa vor einem Monat. Schwer zu sagen. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich den Papierkram erledigt habe, und dann mußte ich noch mein Zeug hierherschaffen …« Sie dreht sich zum Fenster um, aber sie ist nicht verlegen. »Aber es ist nicht einfach, in seinem alten Bett zu schlafen. Deshalb liege ich meistens auf der Couch.« Sie beobachtet Charlie. »Natürlich ist die Hypothek abbezahlt, also habe ich keinen Grund, mich zu beschweren.«
»Was ist mit einem Job?« fragt Charlie. »Arbeitest du?«
»Wie sehe ich aus. Wie ein Beachbunny mit einem Treuhandfonds?« erkundigt sie sich spöttisch. »Donnerstags, freitags und samstags arbeite ich im ›Wasserbett‹.«
»Wasserbett?«
»Das ist ein Club drüben in Washington. Mit einer Absperrung aus Samt vor der Tür und Männern, die auf Supermodels warten, die sich nie blicken lassen. Die ganze traurige Geschichte.«
»Laß mich raten: Du kellnerst in einem engen schwarzen T-Shirt?«
»Charlie …«, warne ich ihn.
Gilian jedoch tut es mit einem Schulterzucken ab. »Ich bin die Managerin, Süßer.« Sie versucht es auf die nette Tour, aber Charlie beißt nicht an. »Das gute daran ist, daß ich tagsüber malen kann. Das ist wirklich die beste Erholung.«
Malen? Ich schaue kurz zu der Leinwand in der Ecke und suche nach einer Signatur. G. D. – Gillian Duckworth. »Also hast du das gemalt?« frage ich. »Ich habe mich schon gefragt, ob …«
»Du hast das gemalt?« Charlie klingt skeptisch.
»Warum bist du so überrascht?«
»Er ist nicht überrascht.« Ich bemühe mich um einen lockeren Ton. »Er mag nur einfach keine Konkurrenz.« Ich deute auf Charlie und sage: »Rate mal, wer auf die Kunstschule gegangen und immer noch ein Möchtegern-Musiker ist?«
»Tatsächlich?« fragt Gillian. »Dann sind wir also beide Künstler.«
»Ja, wir sind beide Künstler.« Charlie schaut kurz auf ihre Finger. Wenn ich raten müßte, würde ich sagen, er will wissen, ob da noch Farbe unter ihren Fingernägeln zu sehen ist. »Hast du jemals ein Bild verkauft?« fährt er fort.
»Nur an Freunde«, erwidert sie leise. »Aber ich habe versucht, sie in einer Galerie auszustellen …«
»Hast du jemals irgendwelche alten Songs verkauft?« mische ich mich ein. Ich werde nicht zulassen, daß er unter die Gürtellinie zielt. Denn ganz gleich, auf was für Ideen er kommen mag – Gillian läßt uns immerhin das ganze Haus durchsuchen. Charlie kann natürlich nicht aufhören, die Staubschicht auf dem Nachttisch anzustarren.
»Habe ich was Falsches gesagt?« erkundigt sich Gillian.
»Nein, du warst großartig«, sagt Charlie, während er zur Tür geht.
»Was hast du vor?« rufe ich ihm hinterher.
»Ich gehe wieder an die Arbeit«, gibt er zurück. »Da wartet noch ein Schrank auf mich.«
41. Kapitel
Um Mitternacht setzte sich Maggie Caruso an ihren Eßzimmertisch. Sie hatte die Zeitung vor sich ausgebreitet und eine Tasse Kakao neben sich stehen. Fünfzehn Minuten lang rührte sie jedoch keines von beidem an. Laß ihnen Zeit , sagte sie sich und schaute auf Charlies Gemälde von der Brooklyn Bridge. Es ist besser, die vollen zwei Stunden zu warten. So hatten sie die Nachricht um neun Uhr übermittelt und auch die um elf. Maggie wäre gern aufgestanden, aber sie wollte ihren Gesichtsausdruck nicht verraten und drehte verstohlen an der Uhr an ihrem Handgelenk. Die Sekunden auf der Plastikuhr, deren Zifferblatt die Hexe aus dem Zauberer von Oz zeigte, tickten herunter. Charlie hatte sie ihr zum Muttertag geschenkt. Sie brauchte nur ein wenig Geduld.
»Ich hasse es, wenn sie das macht«, sagte DeSanctis und hielt seinen Blick unentwegt auf den Laptop gerichtet. »Es ist dasselbe wie gestern nacht. Sie starrt auf das Kreuzworträtsel, aber füllt es
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