Die Bank
und Gallo folgte dem Alphabet bis zum Apartment 4D. »Außerdem kriegen wir bald was viel Besseres als Müll und alte Zeitungen …«
»Wovon redest du?«
Gallo klingelte an der Tür und antwortete nicht.
»Wer ist da?« antwortete eine Frauenstimme leise.
»United States Secret Service«, sagte Gallo und hob seine Marke, damit man sie durch den Türspion sehen konnte.
Es herrschte einen Moment lang Stille, und dann klackte es in rascher Folge, als ein ganzer Totempfahl von Schlössern entriegelt wurde. Langsam und knarrend ging die Tür auf. Dahinter stand eine füllige Frau in einer gelben Jacke. Sie zog zwei Nadeln aus dem Mund und steckte sie in das rote Nadelkissen, das sie am linken Handgelenk trug.
»Kann ich was für Sie tun?« fragte Maggie Caruso.
»Eigentlich bin ich wegen Ihrer Söhne hier, Mrs. Caruso …«
Ihr Mund öffnete sich, und ihre Schultern sanken zusammen. »Was ist los? Ist etwas passiert?«
»Natürlich ist alles mit ihnen in Ordnung«, versprach ihr Gallo und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Sie haben nur ein paar Probleme auf der Arbeit, und wir … na ja, wir hatten gehofft, daß Sie mit uns in die Stadt kommen und ein paar Fragen beantworten könnten.«
Maggie Caruso zögerte instinktiv. Das Telefon in der Küche läutete, aber sie ging nicht ran.
»Ich versichere Ihnen, daß es nichts Schlimmes ist, Mrs. Caruso. Wir haben nur gehofft, daß Sie uns vielleicht bei der Aufklärung helfen könnten. Sie wissen schon … Im Interesse der Jungs …«
»Sicher«, stammelte sie. »Ich hole nur meine Tasche.«
Gallo sah ihr nach, als sie in die Wohnung zurückging, trat dann ebenfalls ein und schlug die Tür hinter sich zu. Man hatte es ihm immer eingebleut: Wenn du willst, daß die Ratten angelaufen kommen, dann mach Stunk in ihrem Rattenloch.
21. Kapitel
»Ist das wirklich richtig?« fragt Charlie.
»Jedenfalls steht es so da«, erwidere ich und überprüfe noch einmal die Adresse. Dann sehe ich auf die Zahlen, die an der schmutzigen Glastür stehen. 405 Amsterdam. Apartment 2B. Duckworths letzte bekannte Adresse.
»Nein, niemals«, wiederholt Charlie hartnäckig.
»Warum? Was ist los?«
»Sieh doch einfach hin, Ollie. Dieser Junge hat dreihundert Millionen Scheinchen auf der Bank. Das hier sollte eigentlich die Upper Westside sein, mit einem arroganten Türsteher, der uns abwimmelt. Statt dessen haust er in einer heruntergekommenen Absteige über einem schlechten indischen Restaurant und einer chinesischen Wäscherei? Vergiß die dreihundert Millionen … Das hier ist nicht mal gut für dreihunderttausend.«
»Das Aussehen kann täuschen«, sage ich.
»Ja, falls die drei Millionen plötzlich auf dreihundert schrumpfen!«
Ich ignoriere seine Bemerkung und deute auf den unbezeichneten Knopf für Apartment 2B. »Soll ich nun läuten oder nicht?«
»Sicher, was haben wir schon zu verlieren?«
Diese Frage will ich nicht beantworten. Der graue Himmel verdunkelt sich immer mehr. In ein paar Stunden wird Mom panisch. Es sei denn, daß sich der Secret Service bereits mit ihr in Verbindung gesetzt hat.
Ich läute.
»Ja?« erwidert eine Männerstimme.
Charlie sieht eine leere braune Schachtel vor der Wäscherei. »Ich habe eine Lieferung für 2B«, sagt er.
Einen Moment herrscht Schweigen. Dann brummt der Türöffner, und Charlie zieht die Tür auf. Er hält sie auf, und ich schnappe mir die braune Schachtel. Duckworth, wir kommen.
Wir steigen die Treppe hinauf. Das dämmrige Treppenhaus stinkt bestialisch nach indischem Curry und chinesischem Bleichmittel. Die Farbe an den Wänden ist rissig und hat Stockflecken. In den Bodenfliesen klaffen überall Lücken. Charlie wirft mir noch einen Blick zu. Klienten unserer Bank leben nicht an solchen Orten. Er erwartet, daß ich langsamer gehe, aber mich treibt das eher an.
»Da ist es«, sagt Charlie.
Ich bleibe vor 2B stehen und halte die Schachtel vor den Gucker. »Eine Lieferung«, verkünde ich und schlage an die Tür.
Schlösser knacken, und die Tür schwingt auf. Ich erwarte einen fünfzigjährigen Mann mit wäßrigen Augen, der nur darauf wartet, uns die ganze Geschichte zu erzählen. Statt dessen steht uns ein ordentlicher Collegetyp mit einer Baseballkappe und übergroßen Shorts gegenüber.
»Sie haben eine Lieferung?« fragt er teilnahmslos.
Ich werfe Charlie einen Blick zu. Nicht mal in seiner Brooklyn-Rapper-Phase war mein Bruder so klischeehaft.
»Eigentlich ist sie für Marty Duckworth«, sage ich.
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