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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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würden es sicher nicht werden, in den düstersten Farben aus. Bedingungen, knallhart und unnachgiebig, auf die einzugehen er auf Gedeih und Verderb verdammt war. Keine Chance, den stählernen Klauen eines übermächtigen Gegners zu entkommen. Für Augenblicke zerfloß er zu einem Brei aus triefendem Selbstmitleid, während er in einem Pulk von Menschen mitgerissen die Straße überquerte.
    Er fand E NRICO sofort, auch wenn der sich in einer winzigen Seitenstraße versteckte und ein noch winzigeres Schild seinen Namenszug trug. E NRICO war ein Insider-Restauranthauptsächlich für Yuppies und Banker, qualitativ wahrscheinlich eher mittelmäßig, dafür um so teurer, wie David vermutete. Eine schmale, steile Treppe führte in den angenehm kühlen Keller, der Geruch von Zwiebeln und Knoblauch, Spaghetti und Lasagne, Essig und Öl, Wein und fremdländischen Gewürzen, das alles vermischt mit dem kalten Qualm unzähliger Zigaretten, hatte sich in jedem Quadratmillimeter des um diese Zeit nur spärlich besuchten Restaurants festgesetzt.
    Sie saß in einer Nische. Er erkannte sie, obgleich sie ihr Äußeres verändert hatte. Sie trug kein graues Kostüm, sondern ein türkisfarbenes, geblümtes Kleid, und seine Vermutung vom Vortag, sie könnte pummelig sein, wurde deutlich widerlegt. Die Haare waren hinten nicht hochgesteckt, sie fielen in leichtem Schwung über ihre Schultern, die Lippen leuchteten in hellem Rot und wirkten dadurch voller, sie hatte blauen Lidschatten aufgelegt und Wangenrouge, und sie trug auch keine Brille mehr. Eine mit Abstrichen aparte, anziehende Frau – sie schön zu nennen wäre übertrieben gewesen, zumindest hatte er seit seiner frühesten Jugend ein bestimmtes Schönheitsideal, geschmückt mit langen, dunklen Haaren, feurigen, ebenso dunklen, Leidenschaft versprühenden Augen und diesem einen Mann um den Verstand bringenden sinnlichen Blick, eine perfekt modellierte Figur … Sie saß vor einem Glas Wein und verfolgte aufmerksam jeden seiner Schritte zu ihrem Tisch. Sie lächelte freundlich, wenn auch mit einer gewissen Distanz, deutete mit einer Hand auf den ihr gegenüber stehenden Stuhl.
    »Guten Abend«, sagte er und versuchte, die Verblüffung über die Metamorphose dieses gestern noch so unscheinbaren Wesens, das sich von einer grauen, unattraktiven Raupe in einen bunten, glänzenden Schmetterling verwandelt hatte, zu verbergen.
    »Ich bin auch eben erst gekommen«, erwiderte sie sanft, ihre Stimme hatte den sozialistischen Grenzbeamtinnentonfallmit dem grauen Kostüm abgelegt. »Möchten Sie etwas essen?«
    »Nein, danke, ich habe bereits zu Hause gegessen. Ich dachte ja, daß …«
    »Dann erlauben Sie mir wenigstens, Sie zu einem Glas Wein einzuladen.«
    »Das brauchen Sie nicht«, wehrte er ab, »ich …«
    »Tun Sie mir den Gefallen. Meine Bank ist in letzter Zeit nicht sehr freundlich mit Ihnen umgegangen. Sagen wir, ein Glas Wein zur Versöhnung? Und außerdem komme ich mir albern vor, wenn ich esse und trinke und Sie nur dasitzen und mir zusehen.«
    »Nun, eigentlich trinke ich keinen Alkohol, ich bin Abstinenzler.«
    »Ein Glas! Sie werden nicht daran sterben. Bei einem Italiener muß man Wein trinken.«
    Um sie nicht zu enttäuschen, sagte er: »Bitte, wenn Sie darauf bestehen.«
    »Sehen Sie, es kommt nicht oft vor, daß jemand mit mir an einem Tisch sitzt. Darf ich Sie nicht doch einladen, eine Kleinigkeit zu essen?«
    »Ich weiß nicht, ich …«
    Sie lächelte verständnisvoll. »Sie machen hier phantastischen Salat mit Frutti di Mare. Ich kann ihn nur empfehlen.«
    »Ja, wenn Sie meinen …«
    »Also gut, ich bestelle zweimal Salat und je eine Portion Lasagne nach Art des Hauses. Sie werden nie wieder eine andere Lasagne anrühren, nachdem Sie diese hier probiert haben.«
    Er lehnte sich zurück, faltete die Hände, sah einen Moment der ihm gegenüber sitzenden Frau ins Gesicht, wandte den Blick aber gleich wieder ab, sobald ihre Augen sich trafen. Was um alles in der Welt geschah hier? Was hatte sie vor? Warum lud sie ihn zum Essen ein? Was sich hier abspielte, war absurd, ja geradezu unmöglich. Was für ein perfides Manöver der Bank steckte hinter alledem?
    »Ähm«, sagte er und rieb seine juckende Nasenspitze (sie juckte immer, wenn er nervös war), »Sie sagten, Sie hätten sich Gedanken gemacht über –«
    »Herr von Marquardt«, unterbrach sie ihn, »heben wir uns doch das Geschäftliche für nach dem Essen auf. Erzählen Sie mir etwas aus Ihrem Leben. Wo Sie

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