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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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nun?« Sie kaute auf ihrer Unterlippe, meinte dann mit unschuldig entschuldigendem Blick: »Wissen Sie was, wir gehen zu mir. Natürlich nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich wohne recht ruhig, und dort kann ich Ihnen auch gleich in aller Ruhe die Vorstellungen meiner Bank darlegen.«
    »Und wo wohnen Sie?« fragte er ein wenig mißtrauisch.
    »Im Magnolienweg. Um diese Zeit sind es etwa zehn Minuten mit dem Auto von hier. Sie sind doch mit dem Auto da, oder?«
    »Ja, natürlich …«
    »Gut, dann lassen Sie uns fahren.«
    Als sie ankamen, leuchtete die Reserveanzeige des Tanks bereits auf. Die Wohnung befand sich in einem fünfstöckigen Neubau in einer ruhigen Gegend, inmitten von Bungalows und Reihenhäusern, adrett angelegten Gärten mit akkurat geschnittenen Hecken, sauberen Bürgersteigen und schmalen Straßen, fast schon Gassen, und über allem lag der betörende Duft des Frühlings, das Bild der mit Macht dem Sommer zustrebenden Natur, das am Abend, im Hauch des südwestlichen Windes, der sanft durch die Blätter fächelte, besonders eindrucksvoll wirkte.
    Sie schloß die Tür auf und hinter sich wieder ab. Sie befanden sich in einer kleinen Halle mit einem Boden aus poliertem Marmor, sie drückte den Knopf des Aufzugs, der sich von oben her mit einem leichten Surren in Bewegung setzte und kurz darauf hielt. Nur vier Personen hatten darin Platz, und jetzt in dieser engen Kabine, so dicht neben ihr stehend, umfächelte ihn dieses würzige, intensive, holzige Parfüm, das in sanften, unsichtbaren Wellen sie einem Feenschleier gleich umtanzte. Der Duft hatte etwas Anziehendes, und obgleich er verwirrt war, hätte er gerne ihren Hals geküßt, sie umarmt, diese fremde Frau, dieses Chamäleon, diese Verwandlungskünstlerin, dieses geheimnisvolle Wesen, das ihn im Auftrag der Bank zu einem opulenten Essen und nun zu sich nach Hause eingeladen hatte.
    Der Aufzug hielt im fünften Stock. Die Flure waren mit dezent braunem Teppichboden ausgelegt, der den Klang ihrer Schritte in sich aufsog, und am Ende des Flurs, neben dem Fenster, reckte sich eine Yuccapalme bis fast hinauf zur Decke, in die Wand eingelassene Lampen spendeten warmes, unaufdringliches Licht.
    Ihre Wohnung war elegant und stilvoll eingerichtet, eine farbliche Harmonie, die geblümten Vorhänge aus englischem Leinen im Laura-Ashley-Stil, die dezent gestreiften Tapeten, der einfarbige, hellblaue Teppichboden, die weiße Ledergarnitur, und wenn auch ein uralter, scheinbar vom Flohmarkt stammender mattbrauner Sekretär neben einem weißen Glasbücherschrank wie ein Stilbruch wirkte, so ergänzten sich beide doch auf seltsam markante Weise. Dazu eine Stehleuchte, deren Schirm ebenfalls ein verspieltes Laura-Ashley-Design trug, pastellfarbene Couchkissen. An der Wand Bilder von Turner und Constable, ob echt oder gutgemachte Kopien, entzog sich seinem Urteilsvermögen, aber auch Masken, furchteinflößende, finster dreinblickende Fratzen mit riesigen Mäulern und schwarzen, verbrennenden Augen, die ihn vernichtend anstarrten. Afrikanische oder Voodoo-Masken, aber auch das vermochte er nicht zu sagen, nur daß ihm deren Anblick leichte Schauer über den Rücken jagte. Wenn es einen Stilbruch in der Einrichtung gab, dann war es die Anwesenheit dieser dämonischen Fratzen.
    Dr. Vabochon knipste einen Schalter an, die Fensterbeleuchtung flackerte auf, eine lange Neonröhre hinter der Vorhangschiene spendete indirektes, unaufdringliches Licht, das das Gardinenmuster intensiv betonte. Sie drückte den Hebel der Balkontür herunter und stieß sie weit auf, der Frühlingszauber strömte herein.
    »Nehmen Sie doch Platz«, sagte sie, auf die aus zwei Sesseln und einer dreisitzigen Couch bestehende Ledergarnitur deutend. »Möchten Sie etwas trinken?«
    »Nein, eigentlich nicht«, sagte er unsicher. »Ich weiß nicht, aber …« Er schaute zur Uhr, dann auf die etwa zwei Meter entfernt stehende Frau, die ihn erneut mit leicht stechendem Blick hypnotisierte. Ein kurzes Wölben der Lippen, ein kaum merkliches, verständnisvolles Nicken des Kopfes.
    »Natürlich, Ihre Zeit ist begrenzt, und ich will Sie auch nichtlange aufhalten. Warten Sie kurz, ich werde gleich zurücksein.« Sie verschwand um die Ecke, kehrte nur Sekunden später zurück. Sie hielt eine dickbauchige, dunkelgrüne Flasche und zwei Cognacschwenker in Händen. Sie stellte die Flasche und die Gläser auf den niedrigen Glastisch und schraubte den Verschluß von der Flasche.
    »Trinken Sie bitte einen mit

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