Die Barbaren von Ragnarok

Titel: Die Barbaren von Ragnarok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Godwin

Vom Netzwerk:

Bevölkerung blind zurücklassen – das geht nicht an.«
    Eine Stunde später erblindete Howard Deming. Er war ein Besatzungsmitglied der ›Ragnarok‹ und über zweihundert Lichtjahre entfernt gewesen, als das Gespensterschiff den Planeten überfallen hatte.
    Als John davon hörte, ging er wieder zu Paul Chiara. »Dies ist nicht bloß eine ernste Situation«, sagte er aufgeregt. »Es ist der gefährlichste Notstand, den wir je hatten. Nicht nur diejenigen, die auf Ragnarok waren, sondern wir alle werden in ein paar Tagen blind und hilflos durch den Schnee tappen. Wir müssen die Ursache der Blindheit ausfindig machen, und das bald.«
    »Was es auch ist«, antwortete der Heilkundige müde. »Tiere befällt es nicht. Oder besser, bisher hat es sie nicht befallen. Waldschliefer, Spötter, Einhörner, Waldziegen – sie alle scheinen immun zu sein. An unserer Wasserversorgung kann es nicht liegen, soviel ist sicher, und nun sind wir dabei, Luftproben zu untersuchen. Eine sehr umständliche und komplizierte Arbeit, weil die Atmosphäre alle möglichen natürlichen Verunreinigungen wie Sporen, Viren und Bakterien enthält, von denen wir nur einen Teil kennen. Sollten wir etwas Verdächtiges finden, werde ich dich verständigen.«
    Zwei Stunden darauf gab es eine Neuigkeit, und Chiara kam selbst damit zu ihm. Die Atmosphäre von Ragnarok enthielt ein nie zuvor festgestelltes Isotop. Es war radioaktiv und daher ziemlich leicht zu ermitteln, aber es ließ sich nicht aus der Luft entfernen.
    »Ich glaube, dies ist die Ursache«, sagte Paul Chiara. »Was sonst könnte es sein? Und das führt uns gleich zur nächsten Frage. Wie lange wird es dauern, bis der Nordwind all diese verseuchte Luft von hier fortbläst? Oder haben sie die ganze Atmosphäre bis zum Pol hinauf infiziert?«
    John nickte. »Eine interessante Frage. Ich werde eins von den kleinen Beibooten nehmen und nachsehen.«
    »Gut«, sagte Chiara. »Aber zuerst muß ich dir zeigen, wie der Analysator bedient wird. Es wird nur zehn Minuten dauern.«
    Die Beiboote, zwei kleine Angriffs- und Erkundungsschiffe, die hauptsächlich aus Triebwerken und elektronisch gesteuerten Waffen bestanden, ruhten auf ihren schwenkbaren Rampen in der Katapultstation der ›Ragnarok‹. Dort war auch, wie er entdeckte, Barbara Lake. »Was tust du hier?« fragte er unwillig.
    »Ich gehe mit dir«, sagte sie. »Ich sagte Norman, du hättest dich entschlossen, mich mitzunehmen.«
    »So?« sagte er. »Und dein Bruder hat dir die Lüge abgekauft?«
    »Ich glaube, er merkte, daß es nicht stimmte, aber er ließ mich ‘rein.«
    »Nun, ich habe nichts dagegen«, sagte er, »aber was verstehst du von der Entnahme von Luftproben und ihrer Analyse?«
    »Zeig mir einfach, wie es gemacht wird – ich kann es schon. Ich bin nervös und ruhelos, Johnny. Ich muß immer daran denken, wie Lora Angst hatte, daß irgendwas passieren würde, und wie ich sie in die Stadt gehen ließ, statt selber zu gehen und sie zu überreden, draußen im Versteck zu bleiben. Laß mich mitgehen.«
    John Humbolt zögerte. »Gibt es keine andere Arbeit, bei der du dich nützlich machen könntest? Solltest du dich nicht lieber um die Blinden kümmern?«
    »Es sind genug da, die das tun. Bitte, Johnny. Ich bin so unruhig – ich kann nicht hier in der Stadt herumsitzen und jemand die Hand halten.«
    »Also von mir aus«, brummte er. »Steig ein.«
    Sie flogen über das verschneite Hochplateau nordwärts. Die Luft hier oben war zunehmend mit dem radioaktiven Isotop verseucht. Noch höher im Norden, in der Region der subpolaren Tiefs, wo die schneeträchtigen Nordwinde des Winters entstanden, fanden sie die höchste Konzentration; sie betrug ein Tausendfaches der Werte, die Paul Chiara in der Stadt gemessen harte.
    John rief ihn über Radio und las die Meßergebnisse vom Blatt. »Hier oben ist genug von dem Zeug, um die halbe Atmosphäre zu verseuchen«, sagte er. »Ich werde jetzt den Pol überfliegen, weiter zum anderen Kontinent und über den Toten Ozean, damit wir uns ein Bild machen können.«
    Dann rief er Norman Lake und sagte: »Wie es scheint, hat der Feind es im Ernst auf uns abgesehen. Je eher wir eine Flotte zum Orionnebel bringen, desto besser. Ruf Cliff Schröder und erkundige dich, wann er mit der ›Einhorn‹ und den Beuteschiffen hier sein kann.«
    Sie überflogen die nördliche Polkappe, eine gebirgige weiße Hölle, wo Eis und Schnee mehrere tausend Meter dick das Land panzerten, und wieder südwärts über