Die Barbaren
sich an ihm in der Einsamkeit zu vergnügen. Zeigt es ihnen!«
Einer der Wachen tat einen Schritt vorwärts, daß er direkt über der nackten Gestalt stand. Er kniete nieder und beugte den Kopf hinab.
Nein! O, Rhion, laß nicht zu, daß sie mich wieder quälen! Ihr Fremden, die ihr wach seid, helft … helft mir…! Bei allen Göttern Vangors …
Nottr war zusammengezuckt, als er die Stimme vernahm. Er hatte keinen Laut gehört. Sie war in seinem Kopf. Die Wachen hatten sie offenbar nicht vernommen, aber Oannon stand wie erstarrt. Und Baragg stierte mit weiten Augen auf die reglose Gestalt im Altar. Und Crog hatte sie ebenfalls vernommen. Er schleuderte die Wachen von sich. Sie waren so überrascht, daß er tatsächlich freikam. Er hatte den Dolch in der Faust und sprang auf den Schwarzgekleideten zu, der seine Augen auf ihn richtete, in denen eine furchtbare Glut schwelte. Als Nottr sah, daß Crog unter diesem Blick taumelte, sammelte er selbst alle Kraft. Doch der Griff der Wachen war wie Spangen und Eisen. Baragg riß sie drei Schritte mit sich, bevor sie ihn mit einer Kraft aufhielten, die mehr als menschlich war.
Hilflos sahen sie, wie Crog auf die Knie fiel und Oannon sich triumphierend über ihn beugte.
O, Rhion! heulte die lautlose Stimme in unmenschlicher Verzweiflung. Schöpfer meines Volkes! Gib diesen Männern Kraft! Laß diesen unglaublichen Zufall, daß wache Geister Einlaß in Oannons verfluchten Tempel fanden, nicht ungenützt verstreichen!
Oh, käme sie nur, diese erflehte Kraft! Aber Nottr spürte nur seine Hilflosigkeit.
Und dennoch wurde der flehentliche Ruf erhört.
Oannon schrie plötzlich auf und taumelte. Mit einem Schmerzensschrei preßte er die Hände an den Leib. Und erneut ließ ihn etwas taumeln und wirbelte ihn herum.
Sein Schreien wurde schrill vor Pein und verstummte abrupt. Voll Grauen sah Nottr, wie das Gesicht Oannons zurückzuckte wie unter einem Axthieb, und wie es sich von Blut rötete, und wie er wimmernd stürzte und schließlich still lag.
Die Arme, die Nottr umklammert hielten, gaben ihn frei. Auch Baragg und Crog ließen sie los. Sie taumelten vorwärts, um sich auf Oannon zu stürzen.
Doch der oberste Diener Genrals war bereits tot, und nicht weit von ihm standen zwei Gestalten, die Nottr einen Freundenruf entlockten.
»Vari, Kellah!«
Die beiden Kriegerinnen hielten Schleuderrohre in den Händen. Mehrere lagen zu ihren Füßen.
»Die Wachen waren so mit euch beschäftigt«, sagte Vari lächelnd.
»Ihr seid zur rechten Zeit gekommen«, seufzte Crog und taumelte auf Vari zu und umarmte sie.
Baragg deutete auf die Wachen, die wie Schlafende standen oder hockten oder wie in einem Traum gefangen umherschritten.
»Die brauchen wir nicht mehr zu fürchten.«
Nottr sah sich um und entdeckte Urgat am Altar. Er sah ihm teilnahmslos entgegen und wehrte sich nicht, als Nottr ihm den Helm abnahm.
»Urgat«, sagte Nottr eindringlich. »Weißt du nicht, wer ich bin? Hörst du mich nicht?«
Er schüttelte ihn, als er keine Antwort gab.
Er kann dich hören, Freund. Aber er kann nicht antworten. Er ist zu viele..
Baragg zuckte entsetzt zusammen. »Es ist noch immer Zauber hier«, flüsterte er und ergriff Nottrs Arm mit schmerzhaftem Griff.
Nottr nickte nur. Er ging zum Altar, stieg die Stufen hoch und betrachtete sie stille nackte Gestalt.
»Redest du mit uns… Qu Irin?« Es bereitete ihm, Mühe, den Namen auszusprechen.
Ja, ich rede mit euch. Du bist Nottr, wenn ich die Gedanken deines Freundes richtig verstehe?
Ich bin Nottr.
Ihr kommt aus einer Welt, die ihr Gorgan nennt. Nottr nickte stumm. Crog und die beiden Kriegerinnen, die Qu Irins Stimme ebenfalls vernahmen, traten mit blassen Gesichtern auf den Altar.
Ist es eine gute Welt?
Eine gute Welt? dachte Nottr verwundert. Er hatte darüber noch nie nachgedacht. Er lebte in ihr. Es war die einzige für ihn, also war sie gut.
Ich meine, fuhr die Stimme fort, ist Krieg in ihr?
»Wir haben auch unsere Oannons, wenn du das meinst«, erwiderte Nottr.
Die Stimme seufzte. Ich muß euch danken, besonders den beiden Kriegerinnen, die Rhions Hand führte. Nun, nach Oannons Tode, wird dieser Kerker so friedvoll sein wie der Tod, nach dem ich mich so viele Jahre gesehnt habe.
»Gibt es etwas, das wir für dich tun können?« fragte Nottr.
Nein. Aber wartet. Ich will nicht, daß ihr mit düsteren Erinnerungen geht. Ihr sollt wissen, weshalb ich hier bin, und wofür dieser Tempel hier in diesem Berg gebaut wurde. Und
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