Die Barbaren
es ist gut, einen kurzen Augenblick eure Gesellschaft zu genießen und menschlichen Verstand um mich zu haben, der nicht von Grauen oder Oannons Kräften gelähmt ist. Habt keine Furcht. Nichts kann geschehen… für eine Weile. Und ich werde euch sicher hinausführen aus meinem Kerker. Ich spüre Unruhe in euren Gedanken… Müdigkeit? Oh, meine fremden Freunde, bezwingt sie noch ein wenig. Hunger? Durst? Ah, ich habe vergessen, wie es ist, hungrig und durstig zu sein… aber hinter Genrals obszönem Bildnis ist eine Tür zu Oannons Vorratskammer. Nehmt, was euch gefällt. Hier ist keiner mehr, der Vorräte braucht, wenn ihr fort seid. Aber geht nicht weiter fort, als in diese Kammer. Sonst mag es geschehen, daß es keine Rückkehr gibt.
Während sich seine Gefährten daran machten, die Vorräte aus der Kammer zu holen, frage Nottr: »Was ist mit diesen Männern geschehen? Sie sind Männer unseres Volkes? Wir sind hierhergekommen, um sie zu befreien? Weshalb erkenne sie uns nicht?«
Sie sind nicht allein, Nottr. Viele andere sind bei ihnen, das verwirrt den Geist.
»Was meinst du damit?«
Viele Männer wurden im Lauf der Zeit zu Oannons Sklaven. Er sandte ihre Körper in seinen Krieg, wenn er ihrer nicht mehr bedurfte. Den Geist aber, die Erinnerungen und Träume, die gab er mir … so wie er es dir zeigen wollte und wie er es auch mit dir tun wollte und mit deinen Gefährten. Er tat es, um mich zu quälen. Vor langer Zeit, als ich die Einsamkeit nicht mehr ertragen konnte, da nahm ich die Geister, die er mir gab. Ich hatte bereits zuviel gelitten, um das Leid anderer zu beachten. Ich genoß es, daß meine Einsamkeit und Leere nun voll war mit fremden Gedanken und Erinnerungen. Aber so gewann er Gewalt über mich. Und die Geister der Menschen waren bald voll Furcht und Grauen, als sie erkannten, daß es keine Rückkehr in ihre Körper und kein Leben mehr für sie gab. Und ihre Qualen wurden meine Qualen. Ihr Wahnsinn ließ mich keinen Augenblick mehr zur Ruhe kommen, und es gab Augenblicke, da fühlte ich bereits selbst den Wahnsinn kommen. Nur an den kurzen Tagen, da diese Tür in deine Welt geöffnet wird, um den Tribut deiner Welt einzulassen, bin ich für ein paar Stunden frei. Denn nicht nur unsere Garnison jenseits der Berge hört den Ruf des Tempels, oft sind es auch Männer deines Volkes, die ihm folgen und hierfür alle Zeiten verschwinden. Sie sind nicht so stark wie ich. Sie ertragen es nicht. Sie verlieren ihren Verstand und ihren Willen und sind Oannons Sklaven … so wie du sie siehst.
Nottr schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß ich das verstehe«, murmelte er schaudernd. »Willst du sagen, daß sie nie wieder die Männer werden können, die sie waren?«
Vielleicht… mit der Zeit. Aber sie werden nie wieder vollkommen sie selbst sein. Vielleicht werden die schwächeren Geister eines Tages verlöschen. Aber nicht alle. Sie werden niemals mehr allein sein. Sie werden immer Erinnerungen haben, die nicht die ihren sind. Vielleicht werden auch andere Geister die Oberhand gewinnen.
»Jeder von ihnen ist mehrere Männer, und der stärkste wird überleben?«
So ist es.
Nottr schüttelte den Kopf. Es war ein erschreckender Gedanke.
»Was sollen wir mit ihnen tun?«
Nichts.
»Weißt du keinen Rat?«
Es braucht Zeit. Nehmt sie mit euch. Laßt sie hungern und kämpfen. Todesgefahr und Überlebenswillen mögen bei dem einen oder anderen eine Entscheidung herbeiführen.
»Kannst du nicht diese Geister…?«
Nein! unterbrach ihn Qu Irins Stimme heftig – und fuhr ruhiger fort: Ohne Oannons Kräfte würde es wohl nicht gelingen, und ich bin froh darüber. Auch in meinem Gefängnis kann ich ihnen nicht entfliehen. Aber nun, da Oannon nicht mehr ist, vermag ich mich zu wehren. Und ich würde mich wehren, wenn du es versuchen solltest.
Es klang drohend.
»Nein«, sagte Nottr unbehaglich. »Wir werden nichts tun, das noch mehr Teufelskräfte wecken könnte. Laß uns in Frieden gehen.«
Das ist eine rechte Einstellung, barbarischer Freund. Sind deine Freunde bereit?
Nottr sah, daß Baragg und Crog mit Fellbeuteln aus der Kammer traten. »Ja, sie sind bereit«, sagte er.
Gut. Laß sie vorgehen und eure Gefährten hinausführen. Weißt du, wie Oannon die Felsentür geschlossen hat?
»Er berührte einen Edelstein an der Statue.«
Gut! Du hast dir gemerkt, welchen?
Allerdings.
Du mußt ihn drehen, um die Tür zu öffnen.
Nottr berührte den Stein. Er ließ sich leicht drehen. Lautlos schwang
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