Die Barbaren
kümmerst dich nicht um sie. Wenn sie wirklich etwas von uns wollen, werden sie näherkommen.«
»Ja, aber es macht mich nervös.« Er ergriff Baragg am Arm. »Suche einen Lagerplatz. Wir brauchen einen Unterschlupf, bevor die Dunkelheit kommt.«
»Ja, Chian’taya.«
»Dieses Tier«, fuhr der Schamane fort, »das du seiner Größe und seines gesprenkelten Felles wegen für einen Bitterwolf gehalten hast… war es ein Männchen oder Weibchen?«
Verblüfft versuchte sich Nottr zu erinnern. »Es war offenbar der Rudelführer, und ich habe noch nie gehört, daß Weibchen… aber ich habe nicht darauf geachtet… ich sah nur die Augen und den Rachen. Weißt du es?«
»Nein, wie sollte ich? Ich war nicht dabei.«
»Ihr Schamanen wißt oft Dinge, bei denen ihr nicht dabei gewesen seid.«
»Das ist wahr.«
Nottr wollte verwundert weiter in ihn dringen, doch der Schamane war zu keinen weiteren Erklärungen bereit, und doch hatte Nottr das Gefühl, daß er noch etwas wußte; etwas, das wichtig war; etwas, vor dem er offenbar Angst hatte. Er versuchte sich zu erinnern, ob das gesprenkelte Tier ein Männchen oder Weibchen gewesen war, aber vergebens, er hatte nicht darauf geachtet, und er fragte sich, warum es wichtig sein sollte. Was verbarg Skoppr vor ihm?
Sie lagerten im Tal eines zugefrorenen Baches, dessen zerklüftete Felsufer genug Schutz vor Wind und Kälte boten, und wo sie auch Deckung im Fall eines Angriffs der Wölfe finden würden.
Der Feuerschein leuchtete quer über das schmale Tal, so daß die Wachen eine Gefahr bald genug gesehen hätten.
Cahrn hatte sich während des Marsches seltsam benommen, und nun im Lager saß er abseits von den anderen und beteiligte sich nicht an der Unterhaltung am Feuer. Fragen, die sie an ihn richteten, beantwortete er einsilbig.
Skoppr setzte sich nach einer Weile neben ihn.
»Wer bist du jetzt?« fragte er.
»Ich verliere den Verstand«, erwiderte der Krieger. Und hastig fügte er hinzu: »Aber das geht dich nichts an.«
»Du kannst mir vertrauen. Haben wir nicht letzte Nacht miteinander gesprochen?«
»Ja… ich erinnere mich… letzte Nacht… es ist nicht länger her? Mir scheint es, als sei eine Ewigkeit vergangen… Weißt du meinen Namen nicht mehr?«
»Welchen? Du hattest viele Namen.«
»Viele Namen… ja, ich höre oft viele Namen, wenn ich träume… aber alles ist so fremd, als wäre ich in einem fremden Körper… ich bin eine Tempeldienerin… ich habe meine Reinheit verloren durch diese lorvanischen Teufel… jetzt fühle ich nicht einmal mehr als Frau…«
»Du bist in einem fremden Körper, Ileen.«
»Ja… diese Augen sehen es, aber mein Verstand will es nicht glauben…bin ich tot?«
»Ich weiß es nicht, Ileen. Erinnerst du dich, was gesehen ist?«
»Ja… obwohl es so lange her ist. Wir reisten durch Dandamar, Fürst Avaroll und seine Gefolgschaft. Er war auf der Suche nach einem heiligen Zeichen für einen Feldzug gegen die Feinde Tainnias im Süden. Es war im vierten Jahr. Der Regentschaft König Jontis…«
»König Jontis? Ich weiß von keinem König Jontis.«
»Ist soviel Zeit vergangen? Währt dieses schreckliche Dasein schon so lange? Wer herrscht in diesen Tagen in Tainnia?«
»Das Chaos ist König in Tainnia, und seine Vasallen sind die Caer und die Priester der Finsternis.«
»Die Caer?« entfuhr es ihr. »Wie ist es möglich…?«
»Erzähle weiter«, forderte er sie auf.
»Eine Schar lorvanischer Barbaren überfiel uns. Die meisten des Gefolges wurden getötet. Nur den Fürsten und seinen Sohn nahmen sie mit. Ich weiß nicht, was sie mit den beiden vorhatten. Und mich nahmen sie mit. Einer nahm mich mit als seine persönliche Beute, obwohl die Kriegerinnen mich lieber getötet hätten. Ich war eine Sklavin für die Frauen und eine Hure für die Männer. Fünf lange Monate zogen wir durch die Wildländer, und bald wußte ich, daß ich empfangen hatte und eines ihrer tierischen, fellbewachsenen Bälger zur Welt bringen mußte…«
»Sie erhalten ihr geliebtes Fell erst nach der Geburt«, sagte Skoppr sanft. »Es ist Teil eines Zaubers. Sie sind sehr stolz darauf.«
»Ich empfand nur Ekel davor. Und jetzt trage ich selbst solch ein…?«
Skoppr lächelte. »So wirst du selbst herausfinden, wie es ist, damit zu leben. Du bist nun sicher vor den Gefahren, die einer Frau drohen, dafür wirst du dich an die Gefahren gewöhnen müssen, die einem Barbaren, einem Krieger in diesem harten Land drohen. Es wird sehr verwirrend für
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