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Die Befreier von Canea

Die Befreier von Canea

Titel: Die Befreier von Canea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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ein doppelter«, sagte Invidia. »Ich hätte gedacht, Leute wie du hätten einen Namen dafür, aber vielleicht habe ich mich geirrt.« Sie blickte auf das Wesen in ihrer Brust und schob die Schultern ein wenig hin und her. Die Beine bewegten sich, und sie zuckte zusammen. »Hm. Er hätte kaum in einem besseren Moment zuschlagen können. Ich war verkleidet. Hätte er Erfolg gehabt, wäre ich als namenlose Marketenderin verbuddelt worden, als unglückliches Opfer des Krieges – und einer der ärgsten Widersacher von Gaius wäre einfach nie wieder aufgetaucht. Eine Hohe Fürstin des Reiches, spurlos verschwunden.«
    »Ich verstehe gar nicht, wieso er gescheitert sein sollte«, gab Amara zurück. »Und ich sehe hier auch keine Hohe Fürstin.«
    Invidia starrte sie eine Weile schweigend an.
    Amara zeigte die Zähne und lächelte ohne jede Belustigung. »Vielleicht hast du den Angriff überstanden, aber die Hohe Fürstin Aquitania hat ihn gewiss nicht überlebt.«
    »Es hat genug von ihr überlebt, um alte Rechnungen zu begleichen, Gräfin«, sagte Invidia leise. »Genug, damit sie sich mit dir befasst. Und mit deinem Gemahl.«
    Amara lief es kalt den Rücken hinunter.
    Invidia lächelte. »Ach, das habe ich mir schon gedacht. Wo ist denn der liebe Graf Calderon? Er ist doch kein Mann, der seine Frau allein zu einer derartigen Unternehmung aufbrechen lässt.«
    »Er ist tot«, sagte Amara so trocken sie konnte.
    »Du lügst«, entgegnete Invidia, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. »Oh, du könntest mir eine Menge vormachen, Kind. Aber nicht, wenn es um ihn geht. Dazu trägst du ihn zu tief in deinem Herzen.« Langsam erhob sie sich und sah erneut zu dem Ding auf ihrer Brust. Diesmal regte es sich nicht, als sie sich bewegte. »Dies muss nicht unangenehmer werden, als es bereits war, Gräfin.«
    »Das soll heißen, es wird leichter für mich, wenn ich mich dir anschließe, nehme ich an«, sagte Amara.
    »Genau.«
    »Scher dich zu den Krähen. Und nimm deine Freunde gleich mit.«
    Invidia lächelte breiter. »Wo ist dein Gemahl, Gräfin?«
    Amara sah sie schweigend an und hörte nur das Klirren ihrer Gurtschnalle auf dem Steinboden, das von ihrem Zittern herrührte.
    »Ich habe dich gewarnt«, meinte Invidia.
    »Manche von deinem Volk verstehen die Lage, in der sie sich befinden«, sagte die Vord-Königin, trat vor und starrte Amara an. »Viele andere widersetzen sich uns. Sogar die Möglichkeit zu überleben nehmen sie nicht wahr, und zwar zugunsten von … etwas nicht Greifbarem. Das führt zu keinem Gewinn, hat keinerlei Sinn und entbehrt jeglicher Vernunft.«
    Amara hatte die Berührung ihrer Gedanken durch die Vord-Königin schon einmal gespürt, doch damals hatte sie es nicht gewusst. Es war sehr fein, ein Flattern der Gedanken und Gefühle, so zart wie ein Spinnennetz, das sich über einen Waldweg spannte.
    »Wo ist Bernard?«, drängte Invidia sanft.
    Amara knirschte mit den Zähnen. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung, auf die Kälte, und löste sich von ihren Gedanken und Gefühlen, so wie sie versuchen würde, einen guten Wasserwirker zu täuschen. Und dann rief sie alle Erinnerungen an Bernard hervor, derer sie habhaft werden konnte, sein beharrliches Schweigen unterwegs, seine sanfte Fröhlichkeit, wenn er beim Essen von den Ereignissen des Tages erzählte, die Kraft, die sein Körper ausstrahlte, wenn er sie im Bett an sich drückte, sein Lachen, seine Augen, das Kratzen seiner Bartstoppeln an ihrer Kehle, wenn er ihren Hals küsste und hundert andere Dinge. Das alles rief sie sich nach und nach ins Gedächtnis.
    Die Vord-Königin seufzte. »Sie ist sehr diszipliniert. Ihren Gemahl versteckt sie vor mir.« Das blasse Wesen mit den fremdartigen Augen wandte sich von ihr ab, und Amara spürte, wie die Berührung ihrer Gedanken aufhörte. »Interessant.«
    »Gib mir eine Stunde«, schlug Invidia vor. »Wenn ich erst ein bisschen Zeit mit ihr verbracht habe, wird sie keine Kraft mehr für diese Spielchen haben.«
    »Wir haben viel Arbeit vor uns und keine Zeit für solche Dinge«, entgegnete die Königin. Sie sah über die Schulter und starrte Amara mit glitzernden Augen an. »Komm.«
    Invidia erhob sich, ließ Amara dabei jedoch nicht aus den Augen. »Das könnte uns ihren Verstand kosten, und damit dessen ganzen Inhalt.«
    Die Vord-Königin ging weiter. »Wahrscheinlich weiß sie sowieso nichts, was wir nicht längst erfahren haben. Das Risiko ist gering.«
    »Ich verstehe«, meinte Invidia.

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