Die Befreier von Canea
Dieser Strom von Menschen breitete sich über eine Meile oder sogar mehr auf dem dunklen mächtigen Bauwerk aus. Als Isana vor der Dämmerung herausgekommen war, hatte sie offensichtlich nicht darauf geachtet, was in ihrer Umgebung vor sich ging, und das Licht hatte nicht genügt, um sehr weit zu sehen.
Bei ihrem hoffentlich sinnvollen Tod würde sie immerhin ein riesiges Publikum haben.
Das störte sie gewaltig. Es war eine Sache, das Leben für das Reich zu geben – und eine ganz andere, es vor aller Augen im Umkreis von fünfundzwanzig Meilen tun zu müssen, die sie begutachteten und ihre Fähigkeiten einschätzten. Sie wollte hier schließlich kein krähenverfluchtes Schauspiel darbieten.
Jedenfalls nicht vor denen.
Antillus Raucus kam durch den Schnee auf sie zu und blieb ein paar Meter vor ihnen stehen. Neben ihm ging Arias Sohn Garius mit grimmiger Miene. Seine Rüstung und seine Uniform waren makellos. Isana verstand sofort, warum Raucus ihn als Sekundanten gewählt hatte. Es war Pflicht des Sekundanten einzuschreiten, falls sich jemand von der Seite des Gegners in das Duell einmischte. Garius war sicherlich nicht nur selbst ein beachtlicher Elementarwirker; ganz abgesehen davon wäre Aria sicherlich nicht geneigt, Raucus anzugreifen, wenn sie dabei auch gegen ihren eigenen Sohn kämpfen müsste.
Isana bemühte sich um Nachsicht. Möglicherweise war die Wahl eher diplomatisch begründet, nicht strategisch. Garius würde gewiss genauso ungern Feindseligkeiten gegen seine Mutter beginnen wie diese gegen ihn, daher bedeutete seine Gegenwart Sicherheit, ja, vielleicht aus einem bestimmten Blickwinkel sogar ein Angebot. Raucus wollte diesen Kampf nicht austragen.
Sie sah dem Mann in die Augen, der sie vielleicht schon in wenigen Minuten töten würde, und hob das Kinn. Er trug nicht seine gewohnte Lorica, sondern hatte sich für einen Mantel entschieden, der vermutlich genauso gepanzert war wie ihr eigener. Dazu hatte er schwere Stiefel an den Füßen, die gegen die Kälte mit Fell gesäumt waren. An seiner Seite hing ein Gladius und nicht das lange Schwert, das er für gewöhnlich trug.
Er hat seine Waffen und seine Rüstung meiner angepasst, dachte Isana. Damit er sich hinterher wenigstens einbilden kann, er hätte mich in einem fairen Kampf getötet.
Nun kam Doroga zu ihnen, der seinen Stock über der Schulter trug.
»Ich bin der Waffenmeister«, sagte der Barbar. Er tippte auf einen runden Behälter, der an einem Band von seinem Gürtel hing. »Ich habe euer Gesetz gelesen, das sich mit dieser Art von Gerichtsentscheidung durch Kampf befasst. Deshalb bin ich hergekommen, um euch die Regeln zu erklären, obwohl ihr die vermutlich besser kennt als ich.«
Antillus warf Doroga einen gereizten Blick zu. Isana musste ein Lächeln unterdrücken.
»Fürst Antillus dort ist der Herausgeforderte. Er darf sich aussuchen, wie das Duell ausgetragen wird. Er hat Stahl und Elementare gewählt. Was im Grunde bedeutet, dass man alles machen darf, und so sollte es bei einem Kampf auch sein.«
Der junge Mann neben Fürst Antillus sagte: »Ich weiß nicht, ob es die Aufgabe des Waffenmeisters ist, seine Meinung über das Juris Macto kund zu tun.«
»Garius«, sagte Aria. Ihr Ton war derselbe, den Isana manchmal verwendet hatte, wenn sie Tavi ermahnte, eine bestimmte Bemerkung lieber zu unterlassen. Garius schwieg daraufhin.
»Isana ist die Herausforderin«, fuhr Doroga fort, als hätte niemand etwas gesagt. »Das bedeutet, sie darf Zeit und Ort des Duells wählen. Sie hat diesen Ort gewählt und will es jetzt austragen. Offensichtlich. Sonst würden wir ja nicht hier im Wind stehen.«
Antillus Raucus seufzte.
»Fürst Antillus«, sagte Doroga. »Als der Herausgeforderte hast du das Recht, einen Streiter an deiner Stelle antreten zu lassen. Vermutlich, falls du nicht verletzt werden willst, oder?« Doroga sprach sachlich und höflich, aber irgendwie gelang es dem Barbaren trotzdem, verächtlich zu klingen. »Möchtest du einen Streiter für dich antreten lassen?«
Antillus knirschte mit den Zähnen. »Nein, möchte ich nicht.«
Doroga schnaubte. »Na, das ist immerhin schon was.« Er blickte zwischen den beiden hin und her. »Und jetzt muss ich dich fragen, warum du kämpfen willst, Isana.«
»Das Reich ist in Not«, sagte Isana leise, ohne den Blick von Raucus abzuwenden. »Der Erste Fürst hat die Schildlegionen zum Kampf gegen die Vord gerufen. Fürst Antillus widersetzt sich nicht nur dem Befehl seines
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