Die Befreier von Canea
geschnitten. »Das möchte ich wohl auch erwarten«, sagte sie ruhig und kühl. »Was willst du hier?«
»Dem Ersten Fürsten ist sein Tonikum ausgegangen. Für den Husten«, erklärte Ehren und musste sich bemühen, damit er nicht stotterte. Ob er nun einen Auftrag zu erledigen hatte oder nicht, mit der Frau eines anderen Mannes in dessen Schlafzimmer zu stehen fand er nicht besonders angenehm. »Er hat mich geschickt, eine neue Flasche zu holen.«
»Aha«, sagte Caria. »Und wie geht es Seiner Majestät?«
»Der Arzt ist … besorgt, Fürstin«, antwortete Ehren. »Aber natürlich kümmert er sich sehr gut um die Verteidigung des Reiches.«
Ihre Stimme bekam einen wenn auch nur geringfügig scharfen Beiklang. »Natürlich. Die Pflicht geht vor.« Sie trat vom Schrank zur Seite und drehte sich um, um aus dem Zimmer zu gehen.
Ehren eilte zum Schrank, an dessen Tür der Riegel nicht vorgelegt war.
Das hatte eigentlich nichts zu bedeuten, aber Ehren kannte Gaius. Der Erste Fürst gehörte nicht zu der Sorte Mann, der Türen nicht verschließt. Er öffnete den Schrank, in dem verschiedene Flaschen in ordentlichen Reihen standen – nur eine nicht. Die volle Flasche mit dem Tonikum des Ersten Fürsten stand ein wenig daneben, und der Korken, mit dem sie verschlossen war, saß nicht gerade.
Aber wer sollte sich am Tonikum des Ersten Fürsten zu schaffen machen?
Ehren fuhr herum, hatte den Raum mit ein paar langen Schritten durchquert, griff Fürstin Caria am Handgelenk und drehte sie zu sich um. Er packte fest zu, verdrehte ihr die Hand, und der Frau fiel eine kleine Glasphiole aus den Fingern. Ehren ließ los und schnappte sie aus der Luft.
»Wie kannst du es wagen?«, fauchte Caria und schlug ihm so hart gegen die Brust, dass er rücklings durch den Raum flog.
Ehren gelang es, richtig auf dem Rücken zu landen, sonst hätte er sich auf dem Marmorboden bestimmt den einen oder anderen Knochen gebrochen. Trotzdem bekam er nach dem elementarverstärkten Schlag kaum Luft.
»Wie kannst du es wagen, mich anzufassen, du überhebliche kleine Schleiche«, fauchte Caria. Sie drehte die Hand aufwärts, und zwischen ihren Fingern loderten Flämmchen auf. »Ich sollte dich bei lebendigem Leibe rösten.«
Ehren wusste, er schwebte in Lebensgefahr, aber er konnte die Arme und Beine nur mühsam bewegen. »Der Erste Fürst«, krächzte er verzweifelt, »erwartet mich mit seiner Medizin.«
Carias Blick wanderte zu seiner Brust und zurück zu seinem Gesicht. Ihr Gesicht zeigte plötzlich Enttäuschung, und sie ballte die Hand zur Faust, um das Feuer zu ersticken.
Auch Ehren schaute an sich hinunter. Die Silbermünze um seinen Hals, das Abzeichen eines Kursors, der persönlich dem Ersten Fürsten unterstellt ist, war aus seiner Tunika gerutscht.
»Ich denke, jetzt kommt es sowieso kaum noch darauf an«, sagte Caria gehässig. Hochmütig wandte sie sich um und ging wieder los.
Ehren betrachtete die Phiole in seiner Hand. Sie war mit einem Korken fest verschlossen und enthielt ungefähr einen Fingerbreit graues Pulver. Aller Wahrscheinlichkeit nach Gift.
»Warum?«, krächzte er. »Warum ausgerechnet jetzt?«
Caria blieb in der Tür stehen, blickte über die Schulter zurück und hatte ein Lächeln auf den Lippen. »Gewohnheit«, hauchte sie mit seidiger Stimme.
Damit war sie verschwunden.
»Helatin«, sagte Sireos mit fester Stimme. Der Arzt saß an einem Tisch im Vorzimmer von Gaius’ Kommandoraum und hatte in einem Drahtgestell ein Dutzend gläserne Phiolen mit farbigen Flüssigkeiten vor sich, darunter auch das inzwischen leere Fläschchen, das Ehren Caria abgenommen hatte. »Genauer gesagt: Feines Helatin.«
Ehren schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht. Das ist doch Arznei?«
»Arznei und Gift unterscheiden sich nur durch die Menge und den Zeitpunkt der Gabe«, antwortete Sireos. »Helatin in kleiner Dosis wirkt anregend. Es ist tatsächlich ein Bestandteil des Tonikums. Eine kleine Menge kann der Körper ohne Schaden verarbeiten. Größere Mengen jedoch …« Er schüttelte den Kopf.
»Hätte ihn dies getötet?«, fragte Ehren.
»Nein, nein«, erwiderte Sireos. »Jedenfalls nicht das allein. Helatin, das in großen Mengen genommen wird, lagert sich im Gehirn, im Rückenmark und in den Knochen ab. Und dort bleibt es.«
Ehren atmete tief durch, weil ihm übel wurde. »Es reichert sich im Laufe der Zeit an.«
»Und mindert die Fähigkeit des Körpers, sich zu erholen«, sagte Sireos bestätigend.
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