Die Befreier von Canea
können. Sie werden deinen Wunsch nach Frieden als Waffe gegen dich einsetzen.«
Sanft drehte sie seinen Kopf nach hinten, bis sie ihm in die Augen sehen konnte. »Wenn du wirklich Frieden willst, wenn du wirklich Leben retten willst, dann musst du gegen sie kämpfen. Mit allem, was du hast. Mit allem, was du bist. Kämpfen bis zum letzten Atemzug.« Sie hob ihr Kinn. »Und ich kämpfe an deiner Seite.«
Natürlich hatte sie recht, und er wusste es. Wenn die Vord mit den Canim fertig waren, würden sie über Alera herfallen. Ihre zahlenmäßige Überlegenheit war beträchtlich, aber trotzdem war es zu schaffen. Wenn ganz Alera an einem Strang zog.
Doch das war das Problem. Zu Hause gab es zu viele Abgründe zwischen den verschiedenen Parteien. Oh, gewiss, sobald die Aleraner die wahre Gefahr erkannten, würden sie sicherlich gemeinsam dagegen antreten – aber zu dem Zeitpunkt könnte es bereits zu spät sein. Sein Onkel hatte seit Jahren vergeblich vor den Vord gewarnt. Viele Aleraner sahen selbst in den Canim kaum mehr als Tiere mit Waffen. Seine Landsleute würden niemals glauben, über welch fortgeschrittene Zivilisation die Canim verfügten, und dementsprechend würde auch deren Zerstörung nicht wirklich als Warnung vor der heraufziehenden Gefahr zählen.
Schlimmer noch, seine Person selbst trug zu einer anderen Spaltung bei. Viele Cives weigerten sich stillschweigend, ihn als Erben der Krone anzuerkennen. Genau aus diesem Grund hatte er Vargs Volk ja nach Canea zurückbegleitet, weil seine Gegenwart zu einem Auseinanderbrechen des Reiches führen könnte. Bei den Krähen, er hatte sich glücklich schätzen dürfen, vor seiner Abreise nicht von Meuchelmördern überfallen worden zu sein.
Gaius war weise und mächtig, doch er kam langsam in die Jahre. Einen Feldzug von Ausmaßen wie diesen zu führen, würde schon von einem jungen Mann viel abverlangen, und davon abgesehen war der alte Erste Fürst nicht für diese Art von Kampf geeignet. Er war ein Meister der Politik und der Einflussnahme, ein Mann, der einen wichtigen Schlag genau mit der richtigen Kraft im richtigen Augenblick ausführte. Er war daran gewöhnt, die Kontrolle über alles in den Händen zu halten.
Krieg aber sah anders aus. Nie konnte man alle Möglichkeiten mit bedenken. Stets geschah etwas, das alle Pläne über den Haufen warf. Nachschub wurde aufgehalten oder ging verloren. Soldaten litten unter Krankheiten, unter den Schwierigkeiten des Geländes, unter Parasiten, schlechter Ausrüstung, miesem Wetter oder tausend anderen Widrigkeiten. Und die ganze Zeit unternahm der Feind alle Anstrengungen, dich zu töten. Niemand konnte in einem solchen Chaos alles im Griff behalten. Man konnte nur hoffen, dass man die Augen offen hielt, dafür sorgte, dass jeder Hand in Hand mit den anderen arbeitete und dass man der Katastrophe stets ein paar Schritte voraus war.
Ein geeintes Alera hätte eine Chance zu überleben. Keine besonders große Chance, aber wenn es gut geführt wurde, könnte man seine Haut teuer zu Markte tragen. Gewiss verfügte Gaius über das notwendige Wissen, doch das Studium von Büchern, von Geschichten alter Generäle und von Sandtischen hatte wenig mit der brutalen Wirklichkeit des Krieges zu tun. Konnte sich Tavis alternder Großvater schnell genug in seinem Denken an die Erfordernisse der veränderten Lage anpassen?
Der erste Schritt, so dachte Tavi, bestand im Glauben, im Glauben an einen möglichen Sieg. Im Glauben, es überhaupt schaffen zu können. Und diesen Glauben musste man bei anderen verbreiten. Denn so sicher, wie die Krähen über eine Leiche herfielen, so sicher hatte man bereits verloren, wenn man nicht an den Sieg glaubte. Er musste seinem Großvater vertrauen – der furchteinflößendsten Person, die Tavi je kennengelernt hatte –, dass er das Reich durch diesen Sturm lenkte. Und wenn er dem Ersten Fürsten vertrauen und dienen wollte, musste er für den Kampf alles opfern, was er hatte.
Er würde sich nicht ergeben.
»Also gut«, sagte er leise. Er blickte hinauf zu den Wällen. »Dann mal auf. Wir haben jede Menge zu tun und nicht genug Zeit.«
Kitai schloss fest die Arme um ihn, und er spürte ihren flammenden Stolz und ihren inneren Jubel, als wären es seine eigenen Gefühle.
Tavi ritt auf die letzte Verteidigungslinie eines sterbenden Landes zu, und er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um ein Heer tödlicher Verbündeter zu dem Mann zu bringen, der Aleras letzte Hoffnung
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