Die Befreier von Canea
erwiderte Tavi. »Aber vor allem geht es mir darum, dass ich niemanden der Canim-Zauberei aussetzen muss, dass niemand im Hafen hinter mir steht, der verwundet oder gefangen genommen werden kann und dass niemand mich von irgendetwas abhalten kann.«
Max schnaubte. »Das hast du an Bord gar nicht erwähnt.«
»Ja. Stimmt.«
»Nur um das Mädchen zu beeindrucken, Hoheit?«
Tavi warf einen Blick über die Schulter. »Für den Kuss hat es sich schon gelohnt.«
Wieder prustete Max, dann verstummte er, bis sie das Seetor erreichten.
Riesige Eisengitter erhoben sich aus dem kalten Wasser und wurden von Mauern gestützt, die aus handbehauenen Granitblöcken gemauert waren. Auch ohne Elementarkräfte war es den Canim irgendwie gelungen, den Grund so zu befestigen, dass er die starken Mauern tragen konnte, die bis zu den Seiten des Fjords reichten. Tavi konnte sich kaum ausmalen, wie viel Mühe und Schweiß und Muskelkraft in diesem Bauwerk steckten und welche Technik man angewandt hatte, damit selbst die starken Canim-Arbeiter überhaupt solch riesige Steinblöcke bewegen konnten. Im Vergleich dazu wirkten die Ruinen von Appia wie Bauwerke von Kindern.
Während sich die beiden Boote näherten, ächzte das Seetor und teilte sich langsam. Phosphoreszierendes Licht flackerte an den Metallstangen, und geisterhafte Lichtwellen tanzten über die Wasseroberfläche. Metall knirschte und ächzte, und so lange sich die Torflügel öffneten, hörte man ein regelmäßiges Poltern und Stampfen, während sich im Wasser Strudel bildeten.
Die Boote fuhren durch den Einlass, und Tavi sah etliche Canim auf den Mauern oben, in dunkler Rüstung und fremdartigen glatten langen Mänteln. Jeder hielt eine dieser Bolzenschleudern in den Händen, also eines dieser tödlichen Balestra, die so viele Ritter und Legionares in den Schlachten im Amaranth-Tal das Leben gekostet hatten. Tavi begann der Rücken zu jucken, als er an ihnen vorbeiglitt. Ein Bolzen dieser todbringenden Waffen konnte erst seinen Rücken- und dann seinen Brustpanzer durchbohren und hätte immer noch genug Wucht, um einen zweiten Mann in Rüstung vor ihm zu töten.
Tavi gestattete es sich nicht, den Kopf zu drehen oder auch nur seinen aufrechten, selbstbewussten Stand im Geringsten zu ändern. Bei den Canim waren Haltung und Gesten von äußerster Bedeutung. Jemand, der aussah, als würde er einen Angriff erwarten, würde vermutlich auch attackiert werden, und das möglicherweise nur wegen der wortlosen, unbeabsichtigten und doch sehr eindeutigen Ausdrucksweise seines Körpers.
Kalter Schweiß rann ihm den Nacken hinunter. Er durfte jetzt nicht durch unbedachte Bewegungen einen ansonsten wunderbaren Tag verderben. Schließlich würde er in Kürze zum ersten Mal seit Wochen dieses verfluchte Wasser verlassen.
Bei diesem Gedanken lachte er leise und beruhigte sich, während sein Boot Seite an Seite mit Vargs in den Hafen von Molvar einfuhr.
Und der war groß! Er maß mindestens eine halbe Meile Länge, genug, um seine gesamte Flotte und auch die der Canim unterzubringen. Im Dämmerlicht zählte er wenigstens dreißig Canim-Kriegsschiffe, deren Bauart sich nur wenig von denen unterschied, die Varg von seinen Schiffszimmerleuten hatte bauen lassen. Der Hafen wurde von Granitklippen eingeschlossen, mit Ausnahme der Stellen, wo an Steinanlegern, die in seiner Größe denen in Alera in nichts nachstanden, Schiffe für Krieg und Handel lagen.
Einer der Anleger unterschied sich von den anderen. An seinem Ende brannten Fackeln, und zwar in einem Rot, wie ein gewöhnliches Feuer es nicht erzeugen konnte. Dort drängten sich Canim in diesen eigenartigen, nass aussehenden Mänteln, aber Tavi erhaschte hier und da einen Blick auf die Rüstungen unter diesen Mänteln und auf die Waffen in ihren Händen.
Vargs Boot hielt auf diesen Anleger zu, und Max änderte ebenfalls entsprechend die Richtung. Die beiden Boote liefen in beinahe völliger Stille auf jeweils eine Seite des Anlegers zu. Das einzige Geräusch war das Klappern der Ruder in Vargs Boot.
Nachdem sie angelegt hatten, dachte Tavi, der nach oben schaute, es müssten viel, viel mehr Canim sein als noch einen Moment zuvor. Außerdem wirkten sie größer. Und ihre Waffen sahen schärfer aus. Das konnte allerdings auch eine Täuschung durch das Licht sein.
»Keine Angst«, redete er sich selbst Mut zu. Dann machte er einen langen Schritt auf den Anleger und betrat den shuaranischen Stein.
Gegenüber tat Varg das Gleiche, er
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