Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
Kümmern Sie sich erst einmal nur um sich selbst …«
»Hab ihn nicht gesehen. Nicht gesehen.« Ah, gut, das klang schon etwas deutlicher. »Auf dem Heimweg von der Arbeit. Hab ihn nicht …«
»Aber selbstverständlich nicht.« Die Frau ging in die Hocke. Ja, sie sah wie eine Arztfrau aus, der Geruch von Wohlstand umgab sie. »Bleiben Sie ganz ruhig sitzen. Die Sanitäter sind unterwegs.«
»Lebt er überhaupt noch?« Tränen schossen Mels in die Augen. »Oh Gott, hab ich ihn umgebracht?«
Als sie zu zittern begann, fiel ihr endlich ein, welcher Song da lief. » ›Blinded by the Light … ‹ «
»Warum funktioniert mein Radio noch?«, murmelte sie tränenerstickt.
»Wie bitte?«, fragte die Frau. »Welches Radio?«
»Hören Sie es nicht?«
Das beschwichtigende Tätscheln, das folgte, war irgendwie beunruhigend. »Atmen Sie einfach ganz ruhig ein und aus, und bleiben Sie bei mir.«
»Mein Radio läuft …«
Drei
»Ist es heiß hier drin? Ich meine, finden Sie es heiß?«
Die Dämonin schlug ihre endlos langen Gisele-Bündchen-Beine übereinander und zupfte an dem tiefen Ausschnitt ihres Kleides.
»Nein, Devina, das finde ich nicht.« Die Therapeutin ihr gegenüber war genau wie die kuschelige Couch, auf der sie saß: dick gepolstert und gemütlich. Selbst ihr Gesicht ähnelte einem Chintz-Sofakissen, die Konturen prall gestopft und mit einem Überzug aus Fürsorge und Mitgefühl versehen. »Aber ich kann ein Fenster öffnen, wenn Ihnen das lieber ist?«
Devina schüttelte den Kopf und schob die Hand zurück in das Prada-Täschchen. Neben ihrer Brieftasche, einem Päck chen Spearmint-Kaugummi, einer Flasche Mineralwasser und einer Tafel Bio-Bitterschokolade befand sich darin eine riesige Sammlung Rouge pur Couture -Lippenstift von YSL . Zumindest … sollte sie das.
Sie versuchte, ihr Wühlen beiläufig wirken zu lassen, so als vergewissere sie sich nur, dass sie ihren Schlüssel nicht verloren hatte.
In Wahrheit zählte sie nach, ob es auch wirklich noch dreizehn Lippenstifte waren: Von links unten in der Tasche ging sie nach rechts. Dreizehn war die korrekte Anzahl. Eins, zwei, drei …
»Devina?«
… vier, fünf, sechs …
»Devina.«
Sie kam durcheinander, schloss die Augen und kämpfte gegen die Versuchung an, den Störenfried zu erwürgen.
Ihre Therapeutin räusperte sich. Hustete. Machte ein würgendes Geräusch.
Devina schlug die Lider auf und sah, wie die Frau die Hände um den eigenen Hals legte und ein Gesicht machte, als hätte sie sich an einem Happy Meal verschluckt. Der Schmerz – die Verwirrung waren ein schöner Anblick, ein kleiner Appetithappen, der Devina Lust auf mehr machte.
Aber mehr Spaß durfte sie sich leider nicht gönnen. Wenn diese Therapeutin abtrat, was würde Devina dann tun? Immerhin machten sie beide wirklich Fortschritte, und eine neue zu finden, mit der sie ebenso gut zurechtkam, würde Zeit in Anspruch nehmen, die sie nicht hatte.
Also pfiff Devina fluchend ihre mentalen Hunde zurück und löste den unsichtbaren Griff, den sie völlig unbewusst ausgeübt hatte.
Die Therapeutin nahm einen tiefen, erleichterten Atemzug und blickte sich um. »Ich … äh, ich glaube, ich mache doch das Fenster auf.«
Der Frau war überhaupt nicht klar, dass ihre Fähigkeiten als Seelenklempnerin ihr soeben das Leben gerettet hatten. Seit Monaten trafen sie sich nun bereits fünfmal die Woche und unterhielten sich fünfzig Minuten lang zum Preis von einhundertfünfundsiebzig Dollar pro Sitzung. Dank dem Ausdrücken ihrer Gefühle und diesem ganzen Quatsch waren die Symptome von Devinas Zwangsneurose inzwischen etwas leichter zu ertra gen – und in Anbetracht der Lage im Krieg mit diesem Engel Jim Heron würden Therapiestunden in der nächsten Runde, die bald anstand, sowas von dringend nötig sein.
Sie konnte nicht fassen, dass sie dabei war zu verlieren.
Im letzten Kampf um die Oberherrschaft über die Erde hatte dieser Engel nun schon zwei Gefechte gewonnen und sie erst eins. Es gab nur noch vier Seelen zu erringen. Wenn sie noch zwei verlöre, dann bliebe weder von ihr noch von ihren gelieb ten Sammlungen irgendetwas übrig: Alles würde verschwinden, all die kostbaren Gegenstände, die sie im Laufe der Jahrtausende angehäuft hatte, jeder einzelne davon ein unschätzbares Andenken an ihre Arbeit – fort, fort, fort. Aber das war noch nicht das Schlimmste. Ihre Kinder, diese herrlichen, gemarterten Seelen, die in ihrer Wand gefangen waren, würden ins Gute,
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