Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
der weggeworfene, also hilft es nicht wirklich. Ich werde noch zwanghafter …«
»Aber Sie sterben nicht daran.«
Natürlich nicht, sie war unsterblich. Vorausgesetzt, sie gewänne gegen Jim Heron. »Nein, aber …«
»Und die Welt geht nicht unter.«
Nein, also nicht wegen der Lippenstiftsache, das nicht. »Aber es fühlt sich so an.«
»Emotionen kommen und gehen. Sie dauern nicht endlos an.« Die Therapeutin wackelte mit dem kleinen Papierkorb. »Kommen Sie, Devina. Versuchen Sie’s. Wenn es zu viel für Sie wird, können Sie den Lippenstift wieder herausholen. Aber wir müssen uns allmählich damit befassen.«
Sie spürte tatsächlich eine Woge von Panik aufwallen, aber paradoxerweise war es ausgerechnet Angst, die ihr dabei half, sie durchzustehen: Angst, dass dieses für sie unkontrollierbare Problem sie behindern würde; Angst, dass Jim nicht gewänne, weil er der überlegene Spieler im Wettkampf des Schöpfers war, sondern weil sie dem Druck nicht standhielte; Angst, dass sie nie in der Lage wäre, sich zu ändern …
Devina schob die Hand in die Tasche und griff sich den erstbesten Lippenstift. Dann schmiss sie ihn weg. Ließ ihn einfach in den Papierkorb fallen.
Das dumpfe Geräusch, als er auf den Taschentüchern vorheriger Patienten auftraf, war, als würde das Maul der Hölle vor ihr zuschnappen.
»Gut gemacht«, sagte die Therapeutin. Als sei Devina eine Sechsjährige, die das Alphabet richtig aufgesagt hatte. »Wie fühlen Sie sich?«
»Als müsste ich mich übergeben.« Das Einzige, was sie davon abhielt, war, dass sie genau auf den Lippenstift spucken müsste.
»Bewerten Sie bitte Ihre Angst auf einer Skala von eins bis zehn.«
Als Devina prompt eine Zehn vergab, stimmte die Therapeutin eine Litanei über das ruhige Atmen an, um die Panik zu beherrschen – bla, bla, bla.
Wieder beugte die Frau sich vor, als merkte sie, dass sie nicht durchdrang. »Es geht nicht um den Lippenstift, Devina. Und die Beklemmung, die Sie jetzt spüren, wird nicht ewig dauern. Wir werden Ihnen nicht zu viel abverlangen, und Sie werden staunen, welche Fortschritte wir machen werden. Der menschliche Geist kann umprogrammiert werden, neue Pfade des Erlebens können geebnet werden. Konfrontationstherapie funktioniert – sie ist genauso mächtig wie die Zwänge. Daran müssen Sie glauben, Devina.«
Mit zitternder Hand wischte die Dämonin sich den Schweiß von der Stirn. Dann riss sie sich in ihrem eng anliegenden Ganzkörperanzug aus menschlichem Fleisch zusammen und nickte.
Die sofaförmige Frau hatte recht. Was Devina bis zu diesem Zeitpunkt getan hatte, funktionierte nicht. Ihr Zustand ver schlechterte sich, und es stand immer mehr auf dem Spiel.
Denn sie war ja nicht nur im Begriff zu verlieren … sie war auch in den Feind verliebt.
Nicht dass sie sich gern daran erinnerte.
»Sie müssen nicht einmal unbedingt daran glauben, dass es funktioniert, Devina. Sie müssen nur an die Ergebnisse glauben. Es ist schwer, aber Sie schaffen das. Ich habe volles Vertrauen in Sie.«
Devina sah der Frau in die Augen und beneidete sie um ihre Überzeugung. Verdammt, wer solche Zuversicht empfand, litt entweder unter Wahnvorstellungen … oder stand mit beiden Beinen auf dem Betonfußboden, gegossen aus Erfahrung und einer soliden Ausbildung.
Es hatte mal eine Zeit gegeben, als Devina sich ihrer selbst absolut sicher gewesen war.
Diese Sicherheit musste sie zurückgewinnen.
Jim Heron hatte sich als viel mehr denn nur ein würdiger Gegner und verflucht gut im Bett erwiesen. Und sie konnte nicht zulassen, dass er die Oberhand behielt. Verlieren kam nicht infrage, und sobald diese Therapiesitzung vorbei war, musste sie mit einem klaren, unbelasteten Kopf an die Arbeit zurückkehren.
Sie schloss die Augen, lehnte sich in den weichen Sessel zurück, legte die Hände auf die gepolsterten Armlehnen und grub die Nägel in den samtigen Stoff.
»Wie fühlen Sie sich jetzt?«, fragte die Therapeutin.
»Als würde ich obsiegen, komme, was da wolle.«
Vier
»Bitte, verraten Sie mir nur, ob er noch lebt.«
Aber Mels’ Frage wurde von der Krankenschwester neben ihrem Bett mit keiner Antwort gewürdigt. Die Frau streckte nur einen Stift in die Höhe und sagte: »Wenn Sie die Entlassungspapiere unterschrieben haben, bekommen Sie von mir das Rezept für die Medikamente.«
Scheiß auf den Kuli. »Ich muss wissen, ob der Mann überlebt hat.«
»Ich darf keine Angaben über Patienten herausgeben. Krankenhausvorschriften.
Weitere Kostenlose Bücher