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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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gekommen, hatte aber die gesamte Organisation auf den Kopf gestellt. Die Druckwelle von Lucats Entlassung war noch überall zu spüren. Der Präsident drohte mit einer radikalen Umgestaltung der CIA, und die Vizedirektoren und Abteilungsleiter waren so beschäftigt damit, die eigene Haut zu retten, dass sie ihre Operationen vernachlässigten.
    Krater bekam von Luigi über Funk die Nachricht, dass Marco in Richtung Piazza Maggiore ging, vermutlich, um sich ein Café für seinen Nachmittagsespresso zu suchen. Krater entdeckte ihn, als er über den Platz kam, die blaue Tasche unter den rechten Arm geklemmt, fast so schick wie ein Einheimischer. Nachdem Krater eine dicke Akte über Joel Backman durchgeackert hatte, freute er sich über die Gelegenheit, ihn endlich mit eigenen Augen zu sehen. Wenn der arme Kerl nur wüsste, was ihn erwartete.
    Aber Marco hatte keine Lust auf einen Espresso, noch nicht jedenfalls. Er ging an den Cafés und Geschäften vorbei, sah sich kurz um und verschwand dann im Nettuno, einem Boutiquehotel mit fünfzig Zimmern direkt an der Piazza. Krater informierte über Funk Zellman und Luigi, dem dies ein Rätsel war, da Marco keinen Grund hatte, ein Hotel zu betreten. Krater wartete fünf Minuten, dann ging er in die Lobby und sah sich um. Rechts von ihm standen einige Sessel und ein breiter Couchtisch, auf dem verschiedene Reisemagazine ausgebreitet waren. Links von ihm lag ein kleiner, leerer Raum mit einem Gästetelefon, dessen Tür offen stand. Im Raum daneben saß jemand – Marco. Er hatte sich über das Tischchen gebeugt, das unter dem an der Wand montierten Telefon stand. Die blaue Tasche lag offen vor ihm. Er war beschäftigt und bemerkte nicht, wie Krater an ihm vorbeiging.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte der Mitarbeiter an der Rezeption.
    »Ja. Ich bräuchte ein Zimmer«, entgegnete Krater auf Italienisch.
    »Für wann?«
    »Für heute.«
    »Es tut mir Leid, aber wir sind ausgebucht.«
    Krater nahm sich einen Hotelprospekt von der Theke.
    »Sie sind immer ausgebucht«, erwiderte er lächelnd. »Ein sehr beliebtes Hotel.«
    »Ja, da haben Sie Recht. Vielleicht ein anderes Mal.«
    »Ach, was ich noch fragen wollte – gibt es hier einen Internetzugang?«
    »Selbstverständlich.«
    »Kabellos?«
    »Ja. Wir sind das erste Hotel in der Stadt, das seinen Gästen einen drahtlosen Internetzugang bietet.«
    Krater entfernte sich von der Rezeption. »Danke. Ich versuche es ein anderes Mal wieder.«
    »Wir würden uns freuen.«
    Auf dem Weg nach draußen kam er an dem kleinen Raum mit dem Gästetelefon vorbei. Marco hob nicht einmal den Kopf.
     
    Marco gab mit beiden Daumen den Text ein und hoffte, dass der Mitarbeiter an der Rezeption ihn nicht hinauskomplimentieren würde. Das Nettuno machte zwar Werbung mit seinem Internetzugang, aber er war nur für eigene Gäste gedacht. In den Cafés, den Bibliotheken und einer der Buchhandlungen konnte jeder, der hereinkam, ins Netz, nicht jedoch in den Hotels. In seiner E-Mail hatte er Folgendes geschrieben:
     
    Grinch,
    ich hatte früher einmal geschäftlich mit einem Bankier in Zürich namens Mikel van Thiessen zu tun, von der Rheinland-Bank in der Bahnhofstraße in Zürich. Finde heraus, ob er immer noch bei der Bank ist. Falls er nicht mehr da ist, wer ist sein Nachfolger? Aber hinterlass keine Spuren! Marco
     
    Er klickte auf »Abschicken« und betete wieder einmal, dass er alles richtig gemacht hatte. Dann schaltete er das Ankyo 850 aus und steckte es in die blaue Tasche zurück.
    Als er ging, nickte er dem Mitarbeiter an der Rezeption zu, der gerade telefonierte.
    Zwei Minuten, nachdem Krater das Hotel verlassen hatte, kam auch Marco heraus. Sie beobachteten ihn von drei verschiedenen Punkten aus und folgten ihm, als er sich unter die Passanten mischte, von denen viele gerade aus den Büros kamen und Feierabend hatten. Zellman ging ins Nettuno und betrat den zweiten Telefonraum auf der linken Seite. Dann setzte er sich auf den Stuhl, auf dem Marco vor weniger als zwanzig Minuten gesessen hatte. Der Mitarbeiter an der Rezeption, dem das Ganze inzwischen sonderbar vorkam, tat so, als wäre er beschäftigt.
    Eine Stunde später trafen sie sich in einem Café und rekonstruierten, was Marco im Nettuno getan haben musste. Die Erklärung war nahe liegend, aber trotzdem schwer zu schlucken – da Marco das Gästetelefon nicht benutzt hatte, musste er sich in den drahtlosen Internetzugang des Hotels eingeloggt haben. Es gab keinen anderen Grund

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