Die Begnadigung
Rolex war damit übersät, und an den goldenen Manschettenknöpfen blitzten noch mehr von ihnen auf. Die nagelneuen braunen Schuhe hielt Stefano zwar für italienisch, aber sie waren viel zu hell, um zum Anzug zu passen.
Der Gesamteindruck war grauenhaft. Aber immerhin, er gab sich Mühe. Als sie vom Flughafen, wo Mr Elya und sein Assistent mit einem Privatjet gelandet waren, ins Stadtzentrum von Bologna fuhren, hatte Stefano genug Zeit, sich seinen Kunden anzusehen. Sie hatten auf dem Rücksitz eines schwarzen Mercedes Platz genommen, der von Elya angefordert worden war. Vorn neben dem Fahrer, der noch kein einziges Wort gesagt hatte, saß Mr Elyas Assistent, der offenbar nur Arabisch sprach. Mr Elyas Englisch war recht passabel und kam in Form von kurzen Feuerstößen, denen meist einige an den Assistenten gerichtete Worte auf Arabisch folgten. Der Assistent fühlte sich verpflichtet, alles aufzuschreiben, was sein Herr und Meister von sich gab.
Nach zehn Minuten im selben Wagen mit ihnen hoffte Stefano, dass sie noch vor dem Mittagessen fertig wurden.
Die erste Wohnung, die er ihnen zeigte, lag in der Nähe der Universität, an der Mr Elyas Sohn in Kürze sein Medizinstudium beginnen würde. Vier Zimmer im ersten Stock, kein Fahrstuhl, solides altes Gebäude, geschmackvolle Einrichtung, für einen Studenten mit Sicherheit luxuriös – tausendachthundert Euro im Monat, Mietvertrag für ein Jahr, sämtliche Nebenkosten extra. Mr Elya runzelte schon die Stirn, während er zur Tür hereinkam, als hätte sein verwöhnter Filius eine schönere Wohnung verdient. Auch der Assistent runzelte die Stirn. Die beiden runzelten immer noch die Stirn, als sie die Treppe wieder hinuntergingen. Sie sagten kein Wort, während der Fahrer zur zweiten Wohnung fuhr.
Sie befand sich in der Via Remorsella, eine Querstraße westlich von der Via Fondazza. Die Wohnung war etwas größer als die erste, hatte eine Küche von der Größe eines Besenschranks, eine erbärmliche Einrichtung und keine nennenswerte Aussicht, lag zwanzig Minuten von der Universität entfernt, kostete zweitausendsechshundert Euro im Monat und roch etwas streng. Das Stirnrunzeln hörte auf; die Wohnung gefiel ihnen. »Ich nehme sie«, sagte Mr Elya. Stefano atmete erleichtert auf. Mit etwas Glück würde er sie nicht zum Mittagessen einladen müssen. Außerdem gab es eine hübsche Provision.
Sie fuhren ins Büro von Stefanos Firma, wo der Papierkram in Rekordzeit erledigt wurde. Mr Elya war ein viel beschäftigter Mann, der noch eine wichtige Besprechung in Rom hatte, und wenn er den Mietvertrag nicht auf der Stelle unterschreiben konnte, jetzt, sofort, dann müssten sie das Ganze vergessen.
Der schwarze Mercedes brachte sie zum Flughafen zurück, wo ein nervöser und erschöpfter Stefano Danke und Auf Wiedersehen sagte und so schnell wie möglich das Weite suchte. Mr Elya und sein Assistent eilten über die Rollbahn zu ihrem Privatjet und gingen an Bord. Die Tür schloss sich hinter ihnen.
Das Flugzeug bewegte sich nicht. In der Kabine hatten Mr Elya und sein Assistent inzwischen ihre Anzüge ausgezogen. Sie trugen bequeme Kleidung und steckten mit drei anderen Mitgliedern ihres Teams die Köpfe zusammen. Nach einer Stunde verließen sie das Flugzeug, brachten eine erhebliche Menge Gepäck zum Privatterminal und verstauten es dort in wartende Transporter.
Luigi war die marineblaue Tasche aufgefallen. Marco ließ sie nie in seiner Wohnung und hütete sie wie einen Schatz. Er trug sie ständig mit sich herum, den Tragegurt über der Schulter, die Tasche fest unter den rechten Arm geklemmt, als enthielte sie Gold.
Was besaß er Wertvolles, das derart beschützt werden musste? Sein Übungsmaterial konnte es nicht sein. Wenn Ermanno drinnen unterrichtete, war das immer in Marcos Wohnung. Wenn der Unterricht draußen stattfand, führten sie lange Gespräche auf Italienisch. Dazu brauchte man keine Bücher.
Auch Whitaker in Mailand war misstrauisch geworden, vor allem, weil Marco in einem Internetcafé in der Nähe der Universität gesehen worden war. Er schickte einen Beamten namens Krater nach Bologna, der Zellman und Luigi helfen sollte, Marco und seine geheimnisvolle Tasche im Auge zu behalten. Da die Schlinge sich langsam zuzog und demnächst wohl mit einer Eskalation der Lage zu rechnen war, forderte Whitaker noch ein paar zusätzliche Männer in Langley an.
Doch in Langley herrschte Chaos. Maynards Kündigung war zwar nicht völlig unerwartet
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