Die Begnadigung
gewesen, das Restaurant unter Wasser zu setzen. Nachdem die Feuerwehr eine Stunde lang diskutiert und debattiert und nur sehr wenig gelöscht hatte, war die Situation unter Kontrolle. »Irgendwas in der Toilette«, rief ein Kellner einem Freund zu, einem der wenigen vom Hunger geschwächten Stammgäste, die noch da waren.
Sie durften ins Lokal, um ihre Mäntel zu holen. Gäste, die sich ein anderes Restaurant gesucht hatten, kehrten zurück, um ihre Habseligkeiten einzusammeln. Luigi unterstützte Marco eifrig bei der Suche nach der Tasche. Er besprach die Lage mit dem Oberkellner, und bald war das halbe Personal dabei, das Restaurant zu durchforsten. In dem aufgeregten Geschnatter hörte Marco, wie ein Kellner von einer »Rauchbombe« sprach.
Die Tasche war fort, und Marco wusste es.
Sie setzten sich vor einem Straßencafé in die Sonne, wo sie den hübschen Mädchen nachsehen konnten, aßen ein Panino und tranken ein Bier dazu. Der Diebstahl beschäftigte Marco, aber er versuchte verzweifelt, sich nichts anmerken zu lassen.
»Tut mir Leid mit der Tasche«, sagte Luigi irgendwann.
»Nicht so schlimm.«
»Ich besorge Ihnen ein anderes Mobiltelefon.«
»Danke.«
»Was war sonst noch drin?«
»Nichts. Nur ein paar Stadtpläne, Aspirin, eine Hand voll Euros.«
In einem Hotelzimmer ein paar hundert Meter entfernt hatten Zellman und Krater die Tasche auf das Bett gelegt und ihren Inhalt sorgfältig ausgebreitet. Dieser bestand neben dem Ankyo Smartphone aus zwei abgegriffenen Stadtplänen von Bologna, die nicht viel verrieten, vier Hundert-Dollar-Scheinen, dem Mobiltelefon, das Luigi Marco gegeben hatte, einer Packung Aspirin und der Bedienungsanleitung für das Ankyo.
Zellman, der mehr von Computern verstand, steckte das Smartphone in einen Internetanschluss und war schon bald mit den Menüs beschäftigt. »Das ist ein tolles Ding«, sagte er beeindruckt. »Neueste Technik.«
Ohne große Überraschung stellte er fest, dass das Passwort nicht zu knacken war. Damit würde Langley sich herumschlagen müssen. Von seinem Laptop aus schickte er eine Nachricht mit der Seriennummer und anderen Informationen an Julia Javier.
Zwei Stunden nach dem Diebstahl saß ein CIA-Agent auf dem Parkplatz von Chatter in Alexandria und wartete darauf, dass das Geschäft öffnete.
26
M arco beobachtete aus der Ferne, wie Francesca tapfer mit ihrem Stock über den Gehweg der Via Don Giovanni Minzoni humpelte. Er folgte ihr und hatte sie bald bis auf zehn Meter eingeholt. Diesmal trug sie braune Wildlederstiefel mit niedrigen Absätzen, die vermutlich ihren Knöchel stützen sollten. Flache Schuhe wären bequemer gewesen, aber schließlich war sie Italienerin, da hatte die Mode oberste Priorität. Zu einem knielangen, hellbraunen Rock trug sie einen leuchtend roten Wollpullover, der ihre perfekte Figur betonte. Es war das erste Mal, dass er sie so sah, sonst war sie stets gegen die Kälte dick eingemummt gewesen.
Sie trat vorsichtig auf und hinkte leicht, aber sie näherte sich Da Nino mit einer Entschlossenheit, bei der ihm warm ums Herz wurde. Alles, damit sie ihm bei einer Tasse Kaffee ein oder zwei Stunden Italienischunterricht geben konnte! Nur für ihn!
Und wegen des Geldes.
Einen Augenblick lang dachte er über ihre finanzielle Situation nach. Trotz der unheilbaren Erkrankung ihres Mannes und der saisonalen Flaute bei ihren Einkünften als Reiseführerin kleidete sie sich stilsicher und lebte in einer elegant eingerichteten Wohnung. Giovanni war Professor gewesen. Vielleicht hatte er fleißig gespart, und jetzt zehrte seine Krankheit an ihren Mitteln.
Wie auch immer. Marco hatte seine eigenen Probleme. Er hatte soeben vierhundert Dollar in bar und seine einzige Verbindung zur Außenwelt verloren. Leute, die nicht hätten wissen dürfen, wo er war, kannten seine Adresse. Vor neun Stunden hatte ihn jemand auf der Via Fondazza mit seinem richtigen Namen angesprochen.
Er verlangsamte sein Tempo, damit Francesca das Restaurant allein betreten konnte, wo sie von Ninos Söhnen erneut wie ein geliebtes Mitglied der Familie begrüßt wurde. Dann ging er eine Runde um den Block, um ihnen Zeit zu geben, sie an ihren Tisch zu setzen, ein wenig um sie herumzuspringen, ihr einen Kaffee zu bringen, einen Augenblick zu plaudern und den neuesten Tratsch auszutauschen. Als er zehn Minuten nach ihr durch die Tür trat, fiel ihm Ninos jüngster Sohn um den Hals. Francescas Freunde waren auch seine Freunde.
Ihre Stimmung wechselte so
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