Die Begnadigung
Lügner.«
»Zu meiner Zeit war ich ein Meister darin. Wenn ich erwischt werde, sorge ich dafür, dass Sie nicht in Gefahr geraten, das verspreche ich Ihnen. Ich werde lügen, dass sich die Balken biegen.«
»Sie werden nicht erwischt. Aber benutzen Sie den Pass so selten wie möglich.«
»Keine Sorge. Ich vernichte ihn, sobald ich kann.«
»Brauchen Sie Geld?«
»Nein.«
»Bestimmt nicht? Ich habe eintausend Euro hier.«
»Nein, Francesca, aber trotzdem vielen Dank.«
»Sie beeilen sich besser.«
Er folgte ihr zur Wohnungstür, wo sie stehen blieben und sich ansahen. »Gehen Sie manchmal ins Internet?«, fragte er.
»Jeden Tag, zumindest für kurze Zeit.«
»Suchen Sie nach Joel Backman. Fangen Sie mit der Washington Post an. Sie werden jede Menge Material finden, aber glauben Sie nicht alles, was Sie lesen. Ich bin nicht das Ungeheuer, das die aus mir gemacht haben.«
»Sie sind überhaupt kein Ungeheuer, Joel.«
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
Sie nahm seine rechte Hand und drückte sie mit beiden Händen. »Werden Sie je nach Bologna zurückkommen?«, fragte sie. Es war eher eine Einladung als eine Frage.
»Ich weiß es nicht. Ich habe überhaupt keine Ahnung, was passieren wird. Vielleicht schon. Kann ich mich bei Ihnen melden, wenn es mir gelingt, mich hierher durchzuschlagen?«
»Bitte tun Sie das. Seien Sie vorsichtig da draußen.«
Ein paar Minuten lang stand er, noch nicht bereit für die lange Reise, in den Schatten der Via Don Giovanni Minzoni, konnte sich nicht überwinden, sie zu verlassen.
Dann hustete jemand unter den dunklen Bogengängen auf der anderen Straßenseite, und Giovanni Ferro war auf der Flucht.
28
W ährend die Stunden quälend langsam verstrichen, steigerte sich Luigis Sorge zur Panik. Entweder hatte jemand Marco bereits erledigt, oder er hatte Wind von der Sache bekommen und versuchte zu fliehen. Besonderes Kopfzerbrechen bereitete Luigi der Diebstahl der Tasche. War das überzogen gewesen? Hatte Marco so viel Angst bekommen, dass er untergetaucht war?
Das teure Smartphone war für alle ein Schock gewesen. Marco hatte also noch ganz andere Dinge getan, als Italienisch zu lernen, durch die Straßen zu wandern und sämtliche Cafés und Restaurants der Stadt auszuprobieren. Er hatte Pläne geschmiedet und mit jemandem Informationen ausgetauscht.
Das Smartphone befand sich in einem Labor im Keller der amerikanischen Botschaft in Mailand, wo es den Technikern, letzten Informationen von Whitaker zufolge, immer noch nicht gelungen war, die Codes zu knacken.
Ein paar Minuten nach Mitternacht bekamen die beiden Eindringlinge nebenan das Warten offenbar satt. Als sie die Wohnung verließen, sprachen sie ein paar Worte, die so laut waren, dass sie aufgezeichnet werden konnten. Englisch mit einem leichten Akzent. Luigi rief umgehend Whitaker an und meldete, dass es sich wahrscheinlich um Israelis handele.
Er hatte sich nicht geirrt. Die beiden Agenten waren von Efraim angewiesen worden, die Wohnung zu verlassen und die Position zu wechseln.
Als sie fort waren, beschloss Luigi, Krater zum Busbahnhof zu schicken, während sich Zellman um die Züge kümmern sollte. Ohne Pass konnte Marco kein Flugticket kaufen, daher beschloss Luigi, den Flughafen zu ignorieren. Allerdings sei ein Mann, der sich ein Hightech-Mobiltelefon mit PC-Funktion für über eintausend Dollar besorgen könne, möglicherweise auch in der Lage, einen Pass aufzutreiben, wie Luigi Whitaker auseinander setzte.
Um drei Uhr morgens war Whitaker in Mailand so aufgebracht, dass er am Telefon nur noch brüllte. Luigi, der aus Sicherheitsgründen keinen Lärm machen durfte, fluchte leise, aber ausgiebig auf Englisch und Italienisch.
»Verdammt noch mal, Sie haben ihn verloren!«, schrie Whitaker.
»Noch nicht.«
»Der Mann ist tot!«
Luigi hängte zum dritten Mal an diesem Morgen auf.
Die Kidon zog sich gegen 3.30 Uhr zurück. Die Agenten sollten sich ein paar Stunden lang ausruhen und dann den vor ihnen liegenden Tag planen.
Marco saß mit einem Penner auf einer Bank in einem kleinen Park nicht weit von der Via dell’Indipendenza entfernt. Der Penner hatte die ganze Nacht über an einer Flasche mit einer rosafarbenen Flüssigkeit genuckelt. Etwa alle fünf Minuten hob er den Kopf und sagte etwas zu Marco, der anderthalb Meter neben ihm saß. Marco murmelte eine Antwort. Was er auch sagte, der Penner schien damit zufrieden zu sein. Zwei seiner Kollegen lagen weggetreten in einem Graben
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