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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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wie gefallene Soldaten. Marco fühlte sich nicht besonders sicher, aber im Moment hatte er andere Probleme.
    Vor dem Busbahnhof lungerten einige Leute herum. Gegen halb sechs belebte sich das Bild. Eine große Gruppe, die offenbar aus Zigeunern bestand, eilte geschäftig aus dem Gebäude. Alle redeten laut durcheinander, vermutlich waren sie froh, nach einer langen Busfahrt endlich angekommen zu sein. Nach und nach trafen weitere Reisende ein, die den Bus nehmen wollten. Marco entschied, dass es an der Zeit war, sich von dem Penner zu verabschieden. Hinter einem jungen Paar mit Kind betrat er den Bahnhof und folgte den beiden zu einem Schalter, wo sie Fahrkarten nach Parma erstanden. Er tat das Gleiche. Dann verschwand er eilig in der Toilette und versteckte sich in einer Kabine.
    Krater saß hinter einer Zeitung versteckt in der rund um die Uhr geöffneten Cafeteria des Bahnhofs und trank schlechten Kaffee, während er beobachtete, wie die Passagiere kamen und gingen. Er sah Marco, registrierte Größe, Körperbau und Alter. Der Gang kam ihm bekannt vor, war aber viel langsamer als der des Marco Lazzeri, den er seit Wochen beschattete und der so schnell ging, wie die meisten Männer rannten. Der hier schlug ein wesentlich gemächlicheres Tempo an, aber im Moment gab es auch keinen Grund zur Eile. Auf der Straße hatte Lazzeri immer versucht, sie abzuhängen. Gelegentlich war er damit erfolgreich gewesen.
    Doch das Gesicht war anders, das Haar viel dunkler. Die braune Kordmütze war verschwunden, aber das war ein Accessoire, das sich leicht ersetzen ließ. Die Schildpattbrille fiel Krater auf. Eine Brille war die perfekte Ablenkung, aber allzu oft wurde ihr Einsatz übertrieben. Marcos elegantes Armani-Modell hatte perfekt zu ihm gepasst, sein Äußeres leicht verändert, ohne die Aufmerksamkeit auf sein Gesicht zu lenken. Die runden Gläser, die dieser Bursche trug, schrien geradezu nach Aufmerksamkeit.
    Der Bart war verschwunden, aber sich zu rasieren dauerte keine fünf Minuten. Das war die erste Maßnahme, wenn jemand sein Äußeres verändern wollte. Das Hemd kannte Krater nicht, obwohl er und Luigi sich bei den Durchsuchungen von Marcos Wohnung jedes einzelne Kleidungsstück genau angesehen hatten. Die verblichene Jeans hätte jeder tragen können, auch Marco besaß eine. Den Ausschlag gaben schließlich die blaue Sportjacke mit dem abgewetzten Besatz an den Ellbogen und die schöne Aktentasche. Die Jacke war alt, so etwas hätte Marco nicht kaufen können. Dass die Ärmel ein wenig zu kurz waren, war nicht weiter ungewöhnlich. Die Aktentasche war aus feinem Leder. Selbst wenn Marco genügend Geld für ein Smartphone aufgetrieben hatte, gab es keinen Grund, es für eine so teure Tasche zu verschwenden. Sein letztes Exemplar, die marineblaue Silvio-Laptoptasche, die Krater ihm am Vortag im Caffè Atene im Getümmel gestohlen hatte, hatte sechzig Euro gekostet.
    Krater blieb sitzen, beobachtete den Mann aber, bis er um eine Ecke bog und außer Sicht war. Nur eine Möglichkeit, nicht mehr. Er nippte an seinem Kaffee und dachte ein paar Minuten über den Unbekannten nach.
    Marco stand in der Kabine. Die Jeans hingen um seine Knöchel, und er kam sich ziemlich albern vor, aber im Augenblick interessierte ihn nur, ob seine Tarnung glaubhaft wirkte. Die Tür öffnete sich. An der Wand links von der Tür waren vier Pissoirs angebracht. Gegenüber davon befanden sich sechs Waschbecken, und daneben die Kabinen. Die anderen drei waren leer. Im Augenblick war nicht viel los. Marco wartete aufmerksam auf die üblichen Geräusche: das Öffnen des Reißverschlusses, das Klirren einer Gürtelschnalle, den tiefen Seufzer, den Männer häufig von sich geben, das Plätschern des Urins.
    Nichts.
    An den Waschbecken war auch nichts zu hören, niemand wusch sich die Hände. Die Türen zu den übrigen drei Kabinen blieben geschlossen. Vielleicht drehte der Hausmeister geräuschlos seine Runde.
    Vor den Waschbecken bückte Krater sich bis zum Boden und sah die Jeans, die in der letzten Kabine um die Knöchel hing. Daneben stand die elegante Aktentasche. Der Herr erledigte sein Geschäft und ließ sich Zeit dabei.
    Der nächste Bus fuhr um sechs Uhr nach Parma, danach ging um 6.20 Uhr einer nach Florenz. Krater hastete zum Schalter und kaufte Fahrkarten für beide. Der Beamte warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, aber das war Krater egal. Er kehrte zur Toilette zurück. Der Mann in der letzten Kabine war immer noch da.
    Krater ging

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