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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zum Chef steht? Mit der offiziellen Bekanntgabe seiner Verhaftung wird die Klinik zusammenbrechen. Es wird niemand mehr zu uns kommen …«
    »Sie werden ihn spätestens nächste Woche wieder freilassen!« rief Karin.
    »Glauben Sie?« Dr. Adenberg war es schwer, die Wahrheit zu sagen. »Sie werden den Chef so lange festhalten, bis hier alles aufgelöst ist. Darum geht es doch nur …«
    »Und wir?« rief eine Kranke schrill.
    »Sie?« Dr. Adenberg drehte sich zu der Ruferin um. »Um Sie wird sich keiner kümmern!« rief er bitter. »Für die Schulmedizin und damit für den Staat, der sie stützt, sind Sie ja schon tot!«
    Das war das erstemal seit zweieinhalb Jahren, daß so in der ›See-Klinik‹ gesprochen wurde. Die Patientin fiel in Ohnmacht.
    Professor Runkel war es sehr unbehaglich zumute, als er Dozent Dr. Färber zu sich bat und ihm eröffnete, welchen Auftrag er für ihn bereithielt.
    »Die Staatsanwaltschaft trat an mich heran!« sagte er wie eine Entschuldigung. »Und ich wüßte keinen, den ich geeigneter finde als Sie …«
    Dr. Färbers Gesicht war verkniffen. »Beauftragen Sie den Kollegen Wüllner damit, Herr Professor.«
    »Wüllner? Nie!«
    »Er kennt die Behandlungsmethoden.«
    »Eben das ist es! Die Kranken sollen nach vernünftigen wissenschaftlichen Methoden behandelt werden, bis sie in die Heimatorte entlassen werden können. Die Liquidation wird einige Wochen dauern.«
    »Und wenn Hansen vorher entlassen wird?«
    »Das ist kaum möglich. Der gestrige Haftprüfungstermin hat ergeben, daß die Untersuchungshaft aufrecht erhalten wird. Der Einspruch des Anwaltes ist verworfen worden.«
    Färber legte die Hände auf den Rücken. Runkel sollte nicht sehen, wie sie zitterten. »Aus gewissen, Ihnen bekannten Gründen muß ich die kommissarische Leitung der Klinik ablehnen, Herr Professor. Außerdem eigne ich mich nicht zum Leichenfledderer …«
    »Wie sprechen Sie mit mir, Färber?« Professor Runkel sprang auf. »Ich habe das Gefühl, daß sich unsere Wege trennen müssen … und zwar sehr schnell! In vier Wochen erhalten Sie Ihre Professur … das dürfte ein günstiger Anlaß sein …«
    »Es entspricht voll meinem Wunsche. Ich habe Ihnen viel, wenn nicht alles zu verdanken, Herr Professor … aber ich habe Ihnen schon so weit nachgegeben, daß ich keinen Schritt weitergehen könnte, ohne die Selbstachtung zu verlieren, und deswegen …«
    »Sie lehnen also die Leitung der Hansen-Klinik ab?«
    »Ja!«
    »Und was soll ich der Staatsanwaltschaft als Begründung schreiben?«
    »Schreiben Sie, Herr Professor: Herr Färber lehnt es ab, das von der Staatsgewalt über fünfundsiebzig Krebskranke durch die Verhaftung Dr. Hansens ausgesprochene Todesurteil auszuführen.«
    Schroff drehte sich Dr. Färber herum und verließ grußlos das Zimmer Runkels.
    Nachdenklich sah Runkel auf die zugeschlagene Tür. Seine hohe Stirn war voller Falten.
    »Er hat recht«, murmelte er. »Verdammt, er hat recht. Alle denken nur an Hansen … und niemand an die Kranken. Niemand …«

Der ständige Umgang mit Schwerkranken und oft mit Ster benden stumpft Ärzte und Pflegepersonal oft erschreckend ab. Hier muß jeder Einzelne immer wieder dieser seiner Verhärtung entgegenarbeiten, je höher in der Stellung, desto mehr . Wenn der Chefarzt in dieser Beziehung versagt, darf er sich nicht wundern, wenn die Untergebenen sich dem angleichen.
    (Prof. Dr. H. Schulten, Köln,
in seinem Buch ›Der Arzt‹)
    Die Haftbeschwerde des Anwaltes wurde verworfen. Oberstaatsanwalt Dr. Barthels hatte sich eingemauert. Auch seinen Bruder empfing er nicht. Als der Fabrikant am Telefon tobte, legte er den Hörer auf. Briefe seiner Schwägerin Elfriede zerriß er ungelesen. Es gab keine privaten Dinge mehr für ihn … allein die Akten bestimmten sein Handeln. Und was in den Akten stand, was Dr. Wüllner an Material zusammengetragen hatte, was Professor Bongratzius und Professor Lücknath an Gutachten abgegeben hatten, war so belastend für Hansen, daß Barthels – nur als Jurist denkend – gar nicht anders konnte, als den Chef der ›See-Klinik‹ in Untersuchungshaft zu belassen und die Anklage wegen fahrlässiger Tötung und wiederholten Betruges vorzubereiten.
    In der ›See-Klinik‹ hatte die Auflösung begonnen. Ein Professor aus der Hauptstadt hatte die Leitung übernommen. Er beschränkte sich darauf, die Diagnosen Hansens zu bestätigen, die sämtlich ›inkurabel‹ hießen. Dann stellte er die Transportfähigkeit fest und

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