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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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geringsten Zweifel). Knastbrüder hatte sie die jungen Burschen oft genannt, weil die ständig auf der Flucht waren und sich irgendwo verstecken mussten. »Das behältst du gefälligst für dich – verstanden, Tracey?« Alle Kumpels, mit denen Carl zu tun hatte, waren irgendwann mal im Knast gewesen – einschließlich des »Beißers«, nach dem Caffery sich erkundigt hatte.
    »Völlig durchgeknallt, der Typ«, hatte Carl mal gesagt. »Für den sind alle Frauen schmutzig. Hättest du mal sehen sollen. Der hat sogar die kleinen Jungs nur mit Handschuhen angelangt, weil er nämlich Angst hatte, dass sie vielleicht mal’ner Frau zu nahe gekommen waren.« Ja, der Kerl wohnte in Brixton. Dieser Caffery hatte zwar nicht erwähnt, wo dieser Perverse den kleinen Jungen gebissen hatte, aber Tracey konnte es sich schon denken: an den Schultern. Trotzdem hatte sie sofort begriffen, dass es Caffery gar nicht so sehr um diesen »Beißer« ging – sondern um etwas ganz anderes. Und als er dann auch noch angefangen hatte, sich nach Pendereckis Jungen zu erkundigen, hatte sie gleich gerafft, dass er sie in erster Linie wegen dieser Frage aufgesucht hatte.
    Ja, Pendereckis Junge. Tracey wusste zwar, was der verschlagene alte Pole dem Jungen angetan hatte, doch sie hatte nie erfahren, wie der Junge eigentlich hieß und wo Penderecki ihn aufgegabelt hatte. Und weil Carl das Thema völlig totgeschwiegen hatte, war ihr von Anfang an klar gewesen, dass es jemanden geben musste, dem der Junge sehr viel bedeutete. Daraus wiederum hatte sie geschlossen, dass eine Menge Geld im Spiel sein musste. Ihre neueste Mutmaßung ging nun dahin, dass sich Caffery aus diesem Grund so sehr für die Geschichte interessierte.
    Sie blieb stehen. Sie war jetzt nicht mehr weit vom Haus entfernt. Am Rande des Steinbruchs glitzerte in der Sonne der Fahrzeugpark, den Carl zurückgelassen hatte: ein alter Triumph, ein moosbewachsener Wohnwagen, ein ausgeschlachteter Ford. Nur noch zehn Minuten zu gehen, doch sie blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Ihre wund gelaufenen Füße waren vergessen, und sie bemerkte nicht einmal das Flattern der Fasane, die laut kreischend zwischen den Bäumen aufstiegen. Aus den dumpfen Tiefen ihrer Erinnerung kam unversehens etwas zum Vorschein, was mit einem Inspector Caffery zu tun hatte. Vielleicht war der Mann für sie gar nicht so bedrohlich – im Gegenteil, vielleicht konnte sie ja sogar von ihm profitieren.
     
    Roland Klare hatte sich den ganzen Morgen eifrig Notizen gemacht, Alternativen erwogen, nach neuen Verfahren gesucht und war schließlich auf eine Möglichkeit gestoßen, wie er sein Problem lösen konnte. Er brauchte lediglich ein paar Blatt Fotopapier, einen Liter Fixiermittel und etwas Kodak-D76-Pulver. In der Anleitung stand klipp und klar zu lesen: Wenn er auf eine Dunkelkammerleuchte verzichtete, konnte der Film beschädigt werden. Trotzdem hatte er beschlossen, das Risiko einzugehen, und eine rote Fünfundzwanzig-Watt-Birne auf seine Liste gesetzt. Anschließend hatte er seine Hosentaschen und sämtliche Schubladen durchwühlt und mitsamt den Münzen, die er in diversen alten Cidre-Flaschen verwahrte, dreißig Pfund zusammengekratzt und in eine Mülltüte geschüttet, die er oben zusammenknotete und sich über die Schulter hängte.
    Ganz schön schwer, das viele Kleingeld. Deshalb brauchte er eine Weile, bis er die Bushaltestelle erreicht hatte. Im Bus selbst warfen ihm einige Fahrgäste neugierige Blicke zu, als er sich mit seiner prallen Mülltüte in die hinterste Reihe hockte. Aber Klare kannte es schon, dass die Leute den Platz wechselten, wenn er sich neben sie setzte. Und so saß er friedlich da und beobachtete das Treiben auf der Straße, bis der Bus schließlich in Balham hielt.
    Die Bushaltestelle war direkt vor dem Fotoladen, dessen Mülleimer er regelmäßig durchwühlte. Also verschwand er ganz automatisch erst einmal auf der Rückseite des Hauses. Dort legte er den Sack mit den Münzen auf den Boden, stellte sich auf eine alte Kiste und spähte in den größten der Müllbehälter. So eine Scheiße. Anscheinend war der Container gerade erst geleert worden. Sein einziger Inhalt war eine alte Jaffa-Orangen-Kiste. Klare stieg resigniert wieder von der Kiste herunter, rieb sich die Hände, schnappte sich den Sack mit den Münzen, ging um das Haus herum und betrat von der Straße her den Laden.

21. KAPITEL
     
    Weder Caffery noch Souness konnten glauben, was sie da auf dem Bildschirm vor sich

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