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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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schon. Tun Sie mir den Gefallen.«
    »Vielen Dank.« Er nahm ein Plätzchen, obwohl er nicht den geringsten Appetit verspürte, und legte es auf den Rand seiner Tasse. »Sie haben gerade von Aleks Arbeit gesprochen, seiner Disko …«
    »Na ja, totgeschuftet hat er sich natürlich nicht – und dann noch der ganze Ärger. War für ihn nicht ganz einfach, aber lassen wir das … Die Peaches sind nun mal keine traditionelle Familie, wissen Sie. Carmel ist nämlich eine odar , aber das kann man ihm natürlich nicht zum Vorwurf machen.«
    »Entschuldigen Sie bitte: Wie war das: – oh-dah ?«
    »Ja, eine odar . Eine Außenstehende – eine, die nicht zu uns gehört.«
    »Zu Ihnen gehört?«
    »Ja – eine Nicht-Armenierin .«
    »Ist Alek Peach denn Armenier?«
    »O ja.« Sie dachte kurz nach. »Natürlich schert er sich nicht um die Tradition, aber er gehört zu uns.« Sie berührte mit ihren langen goldfarben lackierten Fingernägeln Cafferys Arm. »Natürlich hat er blaue Augen – aber das haben viele von uns, genau wie Sie, mein Guter. Die meisten Leute meinen, dass wir iranischer Herkunft sind, aber das stimmt nicht. Schauen Sie mich doch an.« Sie nahm die Sonnenbrille ab und sah ihn an. »Sehen Sie?«
    »Ja.«
    »Blau – interessant ist aber auch« – sie setzte die Brille wieder auf -, »interessant ist auch: Unsere Urgroßväter – also Aleks und mein Urgroßvater – waren dicke Freunde. Haben gemeinsam gegen die Türken gekämpft – und sind sogar zusammen gestorben. Unsere Großeltern sind dann nach Paris geschickt worden und …«
    »Aber Peach – das ist doch kein …«
    »Armenischer Name? Nein. Natürlich nicht. Sag ich doch – Alek ist nun mal kein traditioneller Armenier. Ich glaube sogar, dass er sich seiner Herkunft schämt.«
    »Hat er seinen Namen denn geändert?« Caffery spürte, wie Souness’ Augen auf ihm ruhten, wie sie das Gespräch mit großer Aufmerksamkeit verfolgte. »Anglisiert?«
    »Nur den Familiennamen. Seinen Vornamen natürlich nicht – Alek klingt schließlich …«
    »Und sein richtiger Name? Wie heißt Alek wirklich?«
    »Ach, den können Sie sowieso nicht aussprechen.« Sie machte mit ihrer schmuckbehängten Hand eine wegwerfende Bewegung. »Wenn Sie schon mit Nersessian Schwierigkeiten haben, dann können Sie Pechickjian erst recht nicht aussprechen.«
     
    Nachdem Caffery Tracey Lamb an der A134 einfach aus dem Wagen geworfen hatte, blieb ihr keine andere Wahl, als den rund drei Kilomter weiten Rückweg zu Fuß anzutreten. Wie ein Flittchen muss ich hier rumlaufen . Der Himmel war an diesem Tag strahlend blau. In der Ferne war über den Bäumen die Rauchfahne zu erkennen, die von der Zuckerfabrik in Bury St. Edmunds aufstieg. Nur ab und zu kam ein Auto vorbei, der Asphalt brannte unter ihren nackten Füßen, und auf der ganzen Strecke gab es nur eine Telefonzelle, um die schnüffelnd ein kleiner gescheckter Hund herumschlich. Sie hatte nicht mal die zwanzig Pence in der Tasche, um ein Taxi zu rufen. Aber das hätte ihr auch gar nichts genützt, weil sie nicht genug Geld zu Hause hatte, um den Fahrer für seine Dienste zu entlohnen. Seit Carls Tod hatte sich ihre Situation zusehends verschlechtert. Sie hatte gerade noch vier Stangen Silk Cuts zu Hause, der Tank des Datsun war fast leer, und die Sozialhilfe deckte nicht mal einen Bruchteil ihrer Kosten. Und jetzt sah es auch noch so aus, als ob sie die Bullen am Hals hätte.
    Tracey kannte niemanden, den sie nach diesem Inspector Caffery hätte fragen können. Früher hätte sie sich bei ihrem Bruder Carl erkundigen können, doch der war ja nicht mehr da. Sie und Carl hatten seit dem Tod ihrer Eltern dreißig Jahre lang so eng zusammengeklebt, dass viele Leute schon die Nase gerümpft hatten. Sie hatten so vieles gemein: »Ja, wir haben sogar dieselben Zähne überkront«, hatte Carl manchmal gesagt und dabei die Oberlippe hochgezogen, damit jeder sehen konnte, was er meinte. Sein Zahn war ihm in Belmarsh abhanden gekommen, und Tracey hatte ihren verloren, als ihrem Bruder am St. Patrick’s Day mal die Hand ausgerutscht war. Carl hatte viele »Freunde« gehabt. Tracey wusste alles über seine »Freunde« – einige hatte sie sogar persönlich kennen gelernt, als sie damals die Videos gemacht hatte.
    Sie blieb einen Augenblick neben der Straße stehen, beugte sich vor und spuckte eine Ladung eklig-braunen Auswurf ins Gebüsch. Ein Auto fuhr laut hupend vorbei. Im Rückfenster sah sie höhnisch lachende Gesichter. Sie

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