Die Behandlung: Roman (German Edition)
Kinderschänder damals zu ihm gesagt. ›Magst du deinen Papi?‹«
»Was?«
»Ja, genau das.« Er richtete sich in seinem Stuhl auf. In seinem Kopf rauschte das Blut. Sein Tagesausflug nach Norfolk und der Dauerstress, in dem er mit Rebecca lebte – das alles war plötzlich ziemlich weit weg.
»Augenblick mal.« Souness zog die Fotos zu sich herüber und betrachtete sie skeptisch. »Aber der Mann war doch halb tot, als man ihn gefunden hat.«
»Und wieso hat er dann derart aggressiv reagiert und herumgegiftet?« Caffery schob seinen Stuhl zurück. »Der Polizeiarzt war jedenfalls völlig perplex.«
»Aber der Mann hatte doch die Hose von oben bis unten gestrichen voll – glauben Sie etwa, dass er das auch nur gespielt hat?«
»Wahrscheinlich ist ihm dieser Gordon Wardell wieder eingefallen.«
»Was?«
»Erinnern Sie sich nicht mehr an die Geschichte?« Caffery nahm die Brille ab. »Dieser Wardell ist damals aufgeflogen, weil er sich während der langen Zeit, die er nach eigenem Bekunden in Fesseln verbracht hatte, nicht in die Hose gemacht hatte. Daraus haben die Kollegen geschlossen, dass er seine Frau selbst umgebracht haben musste. Hat doch zwischen Brixton und Birmingham in sämtlichen Zeitungen gestanden. Falls die Medien darüber nicht groß berichtet haben, lade ich Sie zum Essen ein.«
Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Tja – sieht ganz so aus, als ob Sie Recht hätten, Jack.« Sie stand auf und machte sich an ihrem Hosenbund zu schaffen. »Und was machen wir jetzt?«
»Erst mal brauchen wir ein genetisches Profil.«
»Und – wie lange dauert das?«
»Weiß der Henker.« Caffery rappelte sich ebenfalls von seinem Stuhl hoch. »Was soll’s? Es gibt nämlich noch einen anderen Weg.«
Während Souness die übrigen Beamten zu einer Krisensitzung zusammentrommelte, brachte Caffery Bela zurück nach Guernsey Grove. Er konnte es kaum erwarten, Alek Peach wieder zu sehen und im Licht der neuen Erkenntnisse abermals zu befragen. Als Souness ihn auf dem Weg zum Lift aufhielt und ihm zuraunte: »Jack, Sie wollten mir doch noch was erzählen«, schüttelte er nur den Kopf: »Ach, nichts Besonderes – nicht der Rede wert.«
Endlich hatte er etwas in der Hand. Er wollte unbedingt wissen, ob Peach die Polizei hereingelegt und sich lediglich als unschuldiges Opfer eines Verbrechens aufgespielt hatte. Er war völlig außer sich, hatte alles andere vergessen. Sogar seine Müdigkeit war wie weggewischt.
Es war nicht ganz einfach, Belas Neugier zu befriedigen, ohne etwas zu verraten: »Unsere Forensiker haben bei den Peaches in der Küche Zahnabdrücke an einigen Lebensmitteln entdeckt. Deshalb brauchen wir einen Gebissabdruck der Eheleute, damit wir feststellen können, von wem die Abdrücke stammen.«
»Hm. Ich glaube nicht, dass er da ist.« Sie ließ ihn mit ernstem Gesicht und klirrendem Goldschmuck in ihr blitzsauberes Haus eintreten. »Er ist heute Morgen schon sehr früh weggegangen.«
»Sehen wir mal.« Caffery warf durch die offene Tür einen Blick ins Wohnzimmer, doch dort war alles ruhig – bis auf die protzige Wanduhr, die gerade zu schlagen anfing. »Falls er nicht da ist, warte ich eben.«
»Schauen Sie doch mal im Garten nach.« Sie hängte ihre Handtasche hinter der Tür an einen Haken. »Ich mache Ihnen nur schnell eine Tasse Mokka, damit sie wieder auf die Beine kommen.«
»Sehr nett von Ihnen, Bela, aber das geht jetzt leider nicht.« Er trat in die Küche. Über der Spüle hingen Schnüre, an denen in Zucker getränkte Walnüsse aufgereiht waren. Wie Mobiles , dachte Caffery. Er sperrte die Hintertür auf, trat auf die kleine Zementterrasse hinaus und blinzelte in die Sonne. Auch der Garten war penibel gepflegt. Genau in der Mitte des kleinen Rasens war der Sockel der Wäschespinne in den Boden eingelassen. An dem frisch lackierten Geräteschuppen lehnte Annahids rosafarbenes Barbie-Fahrrad. Ansonsten war in dem Garten nichts Auffälliges zu sehen. Er machte die Tür wieder zu, sperrte sie ab und ging in die Küche, wo Bela gerade Wasser aufgesetzt hatte. »Trotzdem vielen Dank.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja, bin ich. Wir kämpfen in dieser Sache gegen die Uhr.«
»Aber Sie müssen unbedingt mehr essen. Mag ja sein, dass es modern ist, superschlank herumzulaufen – aber gesund ist es nicht.« Bela ging schwer atmend hinter ihm die Treppe hinauf. Als sie sah, dass er ins oberste Stockwerk wollte, fasste sie ihn am Ärmel. »Sie wollen doch nicht etwa Carmel stören? Das
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