Die Behandlung: Roman (German Edition)
stützte die Hände auf die Knie, richtete sich mühsam wieder auf und blickte die flirrende Straße entlang. Das Auto entschwand allmählich in der Ferne. Nein, das konnte sie sich auf keinen Fall bieten lassen. Also nahm sie sich vor, zu Hause Carls Adressbuch herauszusuchen und seine Freunde anzurufen und zu fragen, was sie als Nächstes tun sollte. Im Grunde genommen hatte sie überhaupt keine Lust, diese Leute anzurufen. Einige von denen waren echt nicht ganz dicht – das hatte selbst Carl zugegeben. Einige dieser Gestalten trieben es mit allem und jedem: »Wenn es sein muss, schieben die ihr Teil sogar in den Auspuff eines alten Cortina«, hatte Carl bisweilen lachend gesagt. »Jedenfalls, wenn der Cortina scharf genug aussieht.« Trotzdem musste sie unbedingt was unternehmen.
Tracey humpelte mit schmerzenden Füßen weiter durch die Hitze. Von den wenigen Autos mal abgesehen, die vorüberfuhren, hatte sie seit über einer Stunde niemanden mehr getroffen – nur einen grauhaarigen alten Mann, der nahe West Farm am Ausgang eines alten Stollens herumkroch. Kurz darauf bog sie nach Barnham ab und ging an den verlassenen alten Kasernen mit den zugemauerten Fenstern und den mit Holz verkleideten Türen und dem verfallenen Flugzeughangar vorbei. Sie kam nur mühsam vorwärts, da sie alle paar Minuten stehen blieb, um nach Luft zu schnappen und ihren widerlichen Auswurf auszuspucken. Tracey hatte schon immer Probleme mit der Lunge gehabt – von Anfang an.
»Liegt natürlich nicht an den sechzig Kippen, die du täglich rauchst, Tracey«, hatte Carl bisweilen grinsend gesagt, wenn sie wieder mal eine Ladung Auswurf in ihren kleinen Styroporbecher gespuckt hatte. »Natürlich nicht.«
»Du kannst mich mal.« Dann hatte sie ihm den ausgestreckten Mittelfinger vor die Nase gehalten, und Carl hatte gelacht, und anschließend hatten beide wieder in die Glotze gestarrt. Er fehlte ihr, Gott sei seiner Seele gnädig. Du fehlst mir, Carl.
Als sie schließlich den kleinen Sandweg erreichte, der querfeldein an dem verlassenen Steinbruch vorbei- und zu ihrem Haus führte, waren ihre Füße wund gelaufen. Obwohl die Garage von der Straße noch ein ganzes Stück entfernt war, humpelte sie unverdrossen weiter. Ab und zu schoss ein Düsenjäger von der Basis Honnington mit Ohren betäubendem Lärm über den Himmel und war bereits Sekunden später hinter dem Horizont verschwunden, doch ansonsten lag die Landschaft friedlich im Sonnenschein. Sie kannte die Felder ringsum in- und auswendig – den Zaun dort drüben und den Weg, der weiter vorne nach links abbog. Das Haus und die Garage hatte Carl, kurz nachdem ihre Eltern gestorben waren, angemietet. Er war damals neunzehn, Tracey dreizehn Jahre alt gewesen. Sie wusste genau, womit er sein Geld verdiente. Sie wusste genau, was es mit dem Haufen zertrümmerter Autofenster auf sich hatte, den abmontierten Plaketten, den gefälschten Fahrgestellnummern. In der Garage war immer irgendein völlig auseinander genommenes Auto aufgebockt, und in der Küche hatte ständig ein Stapel gefälschter Kennzeichen herumgelegen. Außerdem war draußen neben dem Haus regelmäßig ein mit einer Plane abgedeckter Lieferwagen abgestellt gewesen. Manchmal hatte Carl ihr sogar erlaubt, einen kurzen Blick darauf zu werfen, doch dann hatte er die Plane meist sehr schnell wieder heruntergezogen und den Finger auf den Mund gelegt: Kein Wort zu irgendeinem Menschen über dieses Auto, ist das klar? Am besten, du tust so, als hättest du es nie gesehen. Manchmal fuhr auch ein Wagen vor, der eine dringende »Inspektion« benötigte. Bei solchen Gelegenheiten sprang Carl wie von der Tarantel gestochen auf und war die ganze Nacht in der hell erleuchteten Garage damit beschäftigt, einen anonymen Discovery oder Bronco umzubauen. In seiner Sammelwut machte er zwischen Menschen und Alteisen kaum einen Unterschied: In dem Haus herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Der eine brachte eine Auto-Stereoanlage, der Nächste irgendwelche Ersatzteile oder geschmuggelte Zigaretten. Schon seit Kindertagen kannte Tracey den satten Klang der Harleys, die ständig vor dem Haus ihres Bruders vorfuhren. Immer waren Leute da, mal übernachtete jemand im Bad, mal lag jemand in einem schmuddeligen Schlafsack in der Garage – eine nie abreißende Kette junger Männer, die bei Carl aus und ein gingen und ihm halfen, Autos umzuspritzen (und die gegebenenfalls auch für andere Dienstleistungen bereitstanden, daran hegte sie nicht den
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