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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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sahen. Sie saßen lange schweigend auf ihren Stühlen und starrten ungläubig auf den Monitor. Ihre Anfrage im Zentralcomputer hatte nämlich ergeben, dass Alek Pechickjian im Vorstrafenregister verzeichnet war, und zwar wegen Kindesmissbrauch. 1984 war er dafür zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden.
    »Nein.« Caffery schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich einfach nicht glauben. Auch wenn er vorbestraft ist, heißt das noch nicht …«
    »Aber immerhin wegen Kindesmissbrauchs.«
    »O mein Gott.« Er stützte den Kopf in die Hände und dachte angestrengt nach. Die erste Straftat, die Peach begangen hatte, lag mehr als fünfzehn Jahre zurück und war im Vorstrafenregister nicht mehr im Detail dokumentiert. Sie hatten deshalb per E-Mail bei der zuständigen Stelle einen Mikrofilm angefordert. Doch der zweite Gesetzesverstoß, dessen Peach sich schuldig gemacht hatte, datierte erst von 1989. Damals, also kurz nach der Attacke auf Champ und dem Auftauchen der Fotos in einem Mülleimer in der Half Moon Lane war Peach zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er einem Siebzehnjährigen bei einer Prügelei ein Auge ausgeschlagen hatte. Caffery starrte ungläubig auf den Bildschirm. Peachs Aussage über die Vorgänge in seinem Haus am Donegal Crescent – etwa die Behauptung, dass dort keine Fotos gemacht worden seien und dass er von Rory während der fraglichen Tage überhaupt nichts gehört habe -, fiel plötzlich wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Auch die Tatsache, dass Peachs Frau und sein Sohn erheblich dehydriert gewesen waren, Peach selbst hingegen nicht, erschien jetzt plötzlich in einem neuen Licht.
    Er stand auf und zog das Phantombild des Mannes, der Champ damals missbraucht hatte, aus der Mappe. Dann breitete er sämtliche Tatortfotos auf dem Schreibtisch aus. »Was meinen Sie?«
    Souness beugte sich über das Phantombild und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht recht. Und Sie – was glauben Sie?«
    »Schwer zu sagen.« Er drehte das Bild langsam hin und her. »Möglich, aber nicht zwingend.« Er betrachtete die Tatortfotos. »Glauben Sie, dass er sich vielleicht selbst einen Schlag auf den Hinterkopf …« Sie beugten sich beide über den Schreibtisch und inspizierten den Abdruck, den Alek Pechickjian, alias Alek Peach, auf dem Boden hinterlassen hatte.
    »Möglich, dass er sich zuerst an den Beinen gefesselt hat …« Souness zeigte auf das Foto. »Und dann erst an den Händen. Na ja – denkbar ist es …«
    »Nein, nein. Augenblick mal.« Caffery schob seinen Stuhl zurück. Die beiden hatten Bela Nersessian gebeten, das Zimmer für ein paar Minuten zu verlassen, und sie saß nebenan bei Kryotos. Caffery sah, dass sie sich immer wieder den Hals verrenkte und neugierig durch die Scheibe in der Tür hereinstarrte. Er sah Souness an und senkte die Stimme. »Nein, ausgeschlossen. Dann müsste er ja zur Hintertür rausgestürmt sein, als der Ladenbesitzer geklingelt hat. Danach müsste er auf den Baum geklettert sein, um Rory dort zu deponieren. Anschließend müsste er wieder nach Hause gerannt sein und sich gefesselt haben. Und das alles noch vor dem Eintreffen der Polizei …«
    Er hielt mitten im Satz inne – und Souness nickte. Der Ladenbesitzer war zu Fuß zu seinem Geschäft zurückgegangen, um Alarm zu schlagen. Peach hatte also reichlich Zeit gehabt. Genügend Zeit, um sich selbst als Opfer eines Überfalls zu inszenieren. Caffery und Souness hatten beide schon von derartigen Inszenierungen gehört. Außerdem wussten sie aus Erfahrung, dass es Leute gibt, die sich selbst in die unmöglichsten Situationen bringen – sich selbst unvorstellbares Leid zufügen. Caffery dachte dabei nicht nur an autoerotisch verursachte Todesfälle. Ja, es gab arme Schweine, die in einem Zeltsack oder unter einer Gummimaske jämmerlich erstickt waren, andere, die sich schmutzige Unterwäsche über den Kopf zogen und sich dann an einem Flaschenzug unter die Zimmerdecke hievten. Es gab aber auch menschliche Tragödien, die auf den ersten Blick durchaus wie ein Mord erscheinen konnten. So hatte er beispielsweise einmal einen Selbstmörder gesehen, der sich selbst die Eingeweide aus dem Leib gerissen hatte, oder eine Frau, die sich in einem verschlossenen Kofferraum selbst angezündet hatte. Er wusste nur zu gut, wie leicht sich ein Mord als Suizid maskieren ließ und ein Suizid als Mord.
    »Magst du deinen Papi …?«, fragte er leise.
    »Wie bitte?«
    »Champaluang Keoduangdy – das hat dieser

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