Die beiden Nachtwächter
später
vielen Streit gemacht. Und jetzt — jetzt, da ists nun reine
ganz aus, ich bin nationalliberal, und er hälts mit dem
Fortschritt, wie ich mir habe sagen lassen. Hahaha, Fort-
schritt — und lacht über meine Schnarre! Ich als Nacht-
wächter kann doch gar keinen größern Fortschritt machen!
Mag der Kerl immerfort in sein Ochsenhorn hineinduten,
aber mich laßt in Ruhe mit ihm!“ — — —
Grad um dieselbe Zeit saß auch Bachmann hinter seinem
Ofen, hatte die fetten Hände um das dicke Bäuchlein — ein
seltsames Naturstück bei einem Schneider — geschlungen,
sah behaglich dem Treiben der Schneeflocken zu und warf
dann zuweilen zur Abwechslung einen liebevollen Blick auf
die beiden Frauen, welche eben bemüht waren, einen war-
men Kaffee nebst Zubehör auf den Tisch zu stellen.
„’s ist doch nirgends schöner in der Welt, als im Bette
und hinter dem Ofen!“ sagte er. „Wenn man bei solchem
Heidenwetter die ganze Nacht da draußen herumlaufen
muß, da merkt mans erst, was ein Bett und ein Ofen in der
Weltgeschichte zu bedeuten hat. Es geht doch nichts über
etwas Warmes, besonders im Winter!“
„Da hast Du Recht, Alter! Drum komm her, ehe der
Kaffee wieder kalt wird!“
Er folgte der freundlichen Aufforderung seiner sorg-
samen Hausfrau, und die Beharrlichkeit, mit welcher er
zulangte, zeigte, wie trefflich ihm der Weihnachtskuchen
mundete.
„Das ist aber doch keiner von Unserm?“ fragte er, ein
ganz besonders appetitliches Stückchen, welches er eben
in seiner Hand behielt, betrachtend.
„Der ist vom Herrn Bürgermeister. Er schickte vorhin
einen ganzen Teller voll für das hübsche neue Lied, was
Du gestern Abends gesungen hast.“
„Ach so!“ rief er lachend. „Na, da hat mir die Schnurre
doch ’was eingebracht!“
„Was wars denn für ein Lied?“ fragte die Tochter neu-
gierig.
„Habs selber gemacht; wirst’s schon auch noch hören!“
„Ja,“ meinte die Frau stolz, „so ein Nachtwächter ist
’was werth, der sich seine Lieder selber machen kann. Da
kann man Jedem vor seinem Fenster ’was singen, was er
gern hört und was auf ihn paßt, und darum haben sie Dich
auch alle so gern. Ich glaube, das hat noch kein Hillmann
zusammengebracht.“
„I bewahre. Die zwölf Hillmänner sind ganz brave Leute
gewesen, aber eine poetische Ader hat Keiner gehabt, und
der jetzige, der dreizehnte, erst recht nicht. Ich möcht nur
wissen, wie man mit so einer dummen Holzschnarre lau-
fen kann; das hat doch weder Saft noch Kraft!“
„Ich kenne ihn noch gar nicht so recht; aber sein Sohn,
der Eduard, soll ein braver und auch ein schmucker Bur-
sche sein.“
„Soll?“ fragte Bachmann mit einem pfiffigen Gesichts-
ausdrucke. „Höre, Alte, Du willst doch nicht etwa erst
jetzt anfangen, mir Flattusen vorzumachen! Wer hat denn
am Tage vor dem heiligen Abende hier an dem Tische mit
Rosinen gelesen, he? Wer ist denn nachher hier in Wum-
mershausen in den Metten gewesen — giebts etwa in
Ammerstadt keine Kirche? Wer hat denn gestern da der
Minna die neuen goldenen Ohrglocken zum heiligen Christ
gegeben, he? Und wer will denn heut Abend in die ‚goldne
Ente‘ kommen, wohin unser junges Volk zu Balle läuft und
wenns meinetwegen unterwegs Heugabeln schneit? Na, so
antworte doch!“
Trotz dieser Aufforderung blieb sie die verlangte Ant-
wort schuldig, und auch das Mädchen blickte verlegen vor
sich nieder.
„Ja, da sitzt Ihr nun und könnt nicht bis drei zählen! Ihr
denkt Wunder, wie gescheidt Ihrs angefangen habt; aber
ein Bachmann läßt sich nicht so leicht an der Nase herum-
führen.“
„Na, so zanke nur nicht, Alter! Wir habens ja nicht bös
gemeint.“
„Zanken, das fällt mir gar nicht ein“, meinte er gut-
müthig. „Mit Euch kommt man damit nicht weit. Aber
denken konntet Ihr es Euch doch, daß ich es endlich auch
erfahren mußte.“
„Wir wollten erst sehen, wie’s der Eduard meint, ehe wir
Dir etwas davon sagten.“
„Papperlapapp, der meints natürlich ehrlich! Das habt
Ihr gleich von Anfang an gar nicht anders gedacht, denn
bei Euch Weibsleuten meints eben ein Jeder ehrlich. Na,
ich kann gegen den Jungen gar nichts haben und menge
mich auch gar nicht in die Geschichte. Habe mehr zu thun,
als mich um Eure Liebelei zu bekümmern. Aber viel wird
nicht draus werden, denn der Hillmann kann nun einmal
die Bachmänner nicht leiden, und was der will, das will er.
Der hat seinen Kopf für
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