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Die beiden Nachtwächter

Die beiden Nachtwächter

Titel: Die beiden Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er, wieder auf der Straße
    angekommen; „die hatten es darauf abgesehen, daß ich ei-
    nen ‚Spitz‘ bekommen soll. Ich glaube, ich habe die Terrine
    ganz allein ausgetrunken. Na, das wäre eine schöne Ge-
    schichte; so ’was soll mir nicht passiren!“
    Es war ihm jetzt auf einmal so warm, so eigenthüm-
    lich wohl und leicht im Magen und unter der Pelzmütze;
    die Beine hatten eine ganz andere Spannkraft bekommen,
    drum ging es auch rasch vorwärts; das Duten war ihm
    eine wahre Plaisir, und ehe er sichs versah, stand er auf
    dem Marktplatze vor dem Rathhause.
    Hier sang er immer seine besten und schönsten Verse,
    denn drin saßen rund um den Stammtisch die ehrwür-
    digen Vormünder der Stadt und hatten ihr Wohlgefallen
    an dem Gesange. Oft wurde er dann hineingerufen und
    bekam eine mündliche Belobigung und einen Extratrunk
    als practische Anerkennung.
    So gings auch heut, und weil zweiter Feiertag war, so
    flossen die verführerischen Tropfen reichlicher und länger
    als sonst. Als er wieder ins Freie kam, schaute er sich
    höchst bedenklich um, denn er konnte gar nicht genau un-
    terscheiden, ob es von oben nach unten schneie oder ob
    der Schnee von unten nach oben in die Höhe fahre.
    „Na na na na!“ machte er. „Ich glaube, der Schnee fällt
    heut ganz verkehrt!“
    Kopfschüttelnd stolperte er in die nächste Straße hin-
    ein.
    Dort lag der Gasthof zum „schwarzen Bären“, der Bahn-
    hof für die Stellwagenlinie Ammerstadt-Wummershausen,
    und vor dem wegen des Schneewetters geschlossenen
    Thore stand der ehrwürdige Omnibus, dessen Pflichteifer
    sich die etwaigen Passagiere anzuvertrauen hatten.
    „Hm, ich muß mich ein Bischen setzen. So kunterbunt
    ist mirs in meinem ganzen Leben noch nicht im Bauche
    gewesen. Das muß ich vorbei lassen, wenns nicht etwa gar
    die Cholera ist. Na, das wäre doch die reine Schlechtigkeit,
    mitten im Winter die Cholera, und noch dazu zum zwei-
    ten Weihnachtsfeiertage!“
    Er suchte nach der steinernen Bank, welche an der ei-
    nen Seite des Einganges stand, und auf der er manches
    kurze „Ständchen“ gehalten hatte; aber sie war so über-
    schneit, daß er sich bedenklich abwandte.
    „Das geht nicht; da könnte ich mich schön erkälten und
    zu der Cholera noch einen Schnupfen kriegen, der sich ge-
    waschen hat. ’s ist schon Eins genug von den Beiden! Hm!
    Da steht der alte Rumpelkasten; der fährt um Elf Uhr fort,
    und jetzt ist es erst halb. Wie wärs, wenn ich mich ein paar
    Minuten hineinsetzte? Na, besser allemal als hier auf der
    Bank!“
    Er öffnete, kurz entschlossen, die Thür und stieg hinein,
    zog die Thür hinter sich zu und schmiegte sich behaglich
    in die Ecke. Die genossenen Spirituosen äußerten jetzt ihre
    einschläfernde Wirkung, und nach wenigen Augenblicken
    war der Nachtwächter vom tiefsten Schlafe befallen.
    Die Zeit hatte heut keine sonderliche Lust, auf den
    Schläfer zu warten; sie rückte von Minute zu Minute im-
    mer weiter vor, und kurze Zeit vor Elf öffnete sich das Thor
    des Gasthofes, um nebst Hausknecht und Kutscher die
    beiden Klepper hindurch zu lassen, welche auf der Linie
    Ammerstadt-Wummershausen die Stelle der Dampfkraft
    zu vertreten hatten.
    „Pfui Teufel, ist das ein Heidenwetter,“ fluchte der Haus-
    knecht; „Du hast den Schnee wahrhaftig zwei Ellen hoch
    auf dem Bocke liegen!“
    „Alberne Erfindung, so ein Omnibus!“ raisonnirte der
    Kutscher. „Muß ich da nach Ammerstadt fahren, obgleich
    kein einziger Mensch drin in der Bude sitzt. Mach, daß Du
    fertig wirst. In der ‚goldenen Ente‘ wird Einer drauf gegos-
    sen. Hühü!“
    Die Pferde zogen an, und das Fuhrwerk setzte sich in
    Bewegung.
    Der Schnee hatte sowohl die Schritte der beiden Män-
    ner als auch die Hufschläge der Thiere gedämpft, und da
    man in Anbetracht der herrlichen Schlittenbahn dem Stell-
    wagen die Räder abgenommen und ein Paar Schlittenkufen
    untergeschraubt hatte, so geschah Alles mit einer solchen
    Ruhe und Geräuschlosigkeit, daß der Schlafende nicht das
    Geringste merkte.
    Wegen des hohen Schnees ging die Fahrt nicht sehr
    schnell von Statten, dennoch aber nahm sich der Kutscher,
    bei der „Ente“ angekommen, so viel Zeit, als zum Genusse
    einiger Nordhäuser gehört. Es ging sehr lebhaft zu. Man
    hatte von beiden Städten aus Schlittenparthien bis hierher
    unternommen, und da also Jeder seine gute Gelegenheit
    für den Retourweg hatte und es auch noch nicht Zeit zum
    Aufbruch war, so wollte sich Niemand für die

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