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Die beiden Nachtwächter

Die beiden Nachtwächter

Titel: Die beiden Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Loch!“
    „In Seinem Amte? — beleidigen? — ins Loch? Kerl,
    ist Er denn verrückt? Ich bin der Nachtwächter Bachmann
    und werde Ihm zeigen, was arretiren heißt. Vorwärts
    marsch, ins Loch!“
    „Der Nachtwächter Bachmann? Heiliger Knieriem! Was
    will Er denn hier in Ammerstadt?“
    „In Ammerstadt? Tausendsapperlot, denkt Er denn, ich
    weiß nicht, wo ich bin und wie meine Vaterstadt heißt?
    Wer ist Er, frag ich noch einmal!“
    „Ich? Ich bin der Nachtwächter Hillmann.“
    „Der Nachtwächter Hillmann? Was will er denn hier in
    Wummershausen?“
    „In Wummershausen? Hahahaha! Jetzt weiß ich nun,
    wer von uns beiden der Verrückte ist.“
    „Ja ja, ich weiß es auch, und — — “ Er hielt mitten in
    der Rede inne, denn eben schlug es Eins, erst die vier Vier-
    tel auf der kleinen Glocke und dann den Stundenschlag
    auf der großen. Vor Erstaunen und Ueberraschung vergaß
    er ganz, den Mund zuzumachen; das waren ja nicht die
    Wummershausener, sondern die Ammerstädter Glocken!
    „Nun, was sperrt Er denn das Maul auf? Es dämmert
    Ihm wohl jetzt in seinem Kopfe?“
    „Tausendsapperlot, da bin ich mit dem Omnibus nach
    Ammerstadt gefahren und denke immer, ich habe blos
    fünf Minuten drin geschlafen!“
    Jetzt ging Hillmann ein Licht auf, aber zugleich wurde
    ihm auch noch etwas Anderes klar. Erkannte er nämlich
    die vorliegende Thatsache an, so mußte er Bachmann lau-
    fen lassen, und das lag nicht in seinem Sinne. Jetzt endlich
    hatte er den Todfeind, den „Vierzehnten“ einmal im Sacke,
    und er wollte ihn so lange wie möglich drin zappeln lassen.
    „So! Also der Bachmann will er sein? Na, das wird sich
    ja finden, wer Er ist; jetzt aber komme Er mit!“
    „Mitkommen? Fällt mir gar nicht ein! Er ist der Hill-
    mann, das weiß ich nun, und daß Er Seinen Racker auf
    mich hat, obgleich ich Ihm noch nie Etwas zu Leide gethan
    habe, das weiß ich auch. Es steht auch in Seiner Macht,
    verdächtige Leute u. s. w. zu arretiren, aber hier ist mein
    Spieß und mein Horn; daraus könnte Er sehen, wer ich
    bin, auch wenn ich Ihm nicht persönlich bekannt wäre. Ich
    bin Ihm also sicher und brauche mich nicht einstecken zu
    lassen.“
    „Er ist mir persönlich gar nicht bekannt, und einen
    Spieß und ein Horn kann sich Jeder verschaffen, der sich
    einen dummen Spaß machen will. Ich frage Ihn blos, ob er
    mitgehen will, oder ob ich mir Hülfe suchen soll. Er weiß
    wohl, was Widersetzlichkeit zu bedeuten hat!“
    Bachmann durchschaute die Absicht seines Feindes, aber
    er sah ein, daß er sich in das Unvermeidliche fügen müsse
    und seufzte:
    „Na da kommt, wenn Ihrs verantworten könnt! Tau-
    sendsapperlot, was werden sie in Wummershausen sagen,
    wenn sie morgen die Geschichte hören? Dreizehn Bach-
    männer — “
    „Ja,“ fiel ihm der Andere schadenfroh ins Wort, „Drei-
    zehn Bachmänner! O, wenn die wüßten, wie der vierzehnte
    heut ins Kraut gelaufen ist! Aber so gehts, wenn man sich
    zu viel einbildet und ein Fortschrittler ist; da kommt man
    von Wummershausen nach Ammerstadt, man weiß nicht
    wie. Na, lauft ’was rascher; habe keine Zeit, lange mit Euch
    herumzuschleichen!“
    III.
    H illmann hatte seinen Gefangenen in das städtische
    Polizeiverließ gebracht. Er freute sich königlich über den
    Streich, den das Schicksal seinem Spezialfeinde gespielt
    hatte, und beschloß, diese Freude durch den Genuß eines
    „Bittern“ zu erhöhen.
    „Auf so einen Schreck kann man schon Einen trinken;
    da wäre es ja riesendumm, wenn Einem die paar Dreier
    dauerten. Na, wird das morgen ein Gaudium werden und
    ein Aufsehen, wenn ich den verlaufenen Wummershause-
    ner Nachtwächter mit Horn und Spieß durch die Stadt aufs
    Rathhaus führe. Heut erfährt kein Mensch ein Wort; denn
    das Vergnügen will ich mir doch nicht etwa verderben!“
    Er trat in die nächste Wirthschaft und spülte seine „Bit-
    tern“ gleich am Schenktische hinunter; aber, wie es so her-
    zugehen pflegt, wer dem Teufel einen Finger bietet, giebt
    ihm bald auch noch die ganze Hand — er fand einige Be-
    kannte, trank von ihnen, bezahlte auch noch „Einige“, und
    als er endlich wieder auf die Straße trat, war aus den vorge-
    setzten wenigen Minuten fast eine ganze Stunde geworden
    und er hatte ein Gefühl, als beständen seine langen Beine
    aus Watte, sein Leib aus einem Luftballon, sein Kopf aber
    aus einem Zentnergewichte, und die beiden Arme vigilirten
    in der Luft herum wie die Vorderpfoten einer Katze, welche
    mit

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