Die beiden Nachtwächter
die
Motten, die unglückseligen Motten, die haben den Amts-
pelz der Hillmänner von jeher zu ihren Sommerlogis ge-
macht, und da sie immer eine besondere Vorliebe für die
untere Parthie desselben hatten, so waren dort regelmäßig
mit Anfang Dezember die Haare verschwunden, der zer-
fressene Streifen mußte abgeschnitten werden, der Pelz
wurde von Jahr zu Jahr kürzer und stieg endlich an der
langen Gestalt seines jetzigen Besitzers so weit in die Höhe,
daß zwischen seinem untern Saume und der Hosenschnalle
ein zärtliches Verhältniß entstand, welches bei den Ange-
hörigen des Nachtwächters ein solches Aergerniß erregte,
daß sie sich entschlossen, dem Gatten und Vater einen
neuen Pelz zum heiligen Christe zu geben.
Da aber waren sie schön angekommen, denn der Be-
schenkte erblickte in der Liebesgabe eine Realinjurie auf
das bisher so heilig gehaltene Erb-Mottenquartier und be-
fand sich eben jetzt dabei, diesem Letzteren eine feurige
Lobrede zu halten.
„Ja ja, so gehts! Zwölf Hillmanns, hört Ihrs, ein ganzes
Dutzend Hillmanns sind hinter einander Nachtwächter ge-
wesen und haben den Schafpelz getragen und in Ehren ge-
halten; Keinem ist er zu kurz gewesen, und mir auch nicht,
denn was ihm eigentlich an der Länge fehlt, das habe ich
zu viel, und nun plötzlich soll er nicht mehr gut genug sein.
Heiliger Knieriem, ich weiß schon, worauf das hinzielt!“
„Worauf anders solls denn hinzielen,“ sprach die Frau,
welche am Tische saß und strickte, „als daß Du des Nachts
nicht mehr so frieren sollst!“
„Frieren? Wer hat Euch denn weiß gemacht, daß michs
friert, mich, den dreizehnten Hillmann? Nichts da — mich
macht Ihr nicht dumm! Weil der Bachmann, der Groß-
thuer, vor’m Jahre von seinem Mädel einen neuen Pelz ge-
kriegt hat, soll ich nun auch mich mit einem so unnützen
und theuren Dinge in der Welt herumschleppen. Heiliger
Knieriem, daraus wird nichts! Euch zu Liebe will ich ihn
heut noch einmal anziehen, dann aber ists ab!“
„Ich weiß gar nicht, was Du nur immer mit dem Bach-
mann hast! Der wohnt in Wummershausen und Du in Am-
merstadt; Ihr geht Euch einander nichts an, und — — “
„Thu doch nur nicht, als ob Du nichts wüßtest! Aber
Ihr sollt Euch alle Beide doch verrechnet haben mit
Euern saubern Plänen, die Ihr da hinter meinem Rücken
schmiedet!“
„So! Was wären denn das wohl für Pläne?“
„Höre, bringe mich nicht in die Wolle zum zweiten Feier-
tage! So eine Frau thut, als könne sie kein Wässerchen trü-
ben, und dabei hat sie es hinter den Ohren und hilft dem
Jungen noch in seinen Dummheiten.“
„Aha, jetzt komme ich auch an die Reihe!“ klang es vom
Fenster her, wo der Sohn Hillmanns, ein hübscher, kräfti-
ger, etwa zweiundzwanzig jähriger Bursche stand.
„Ja freilich kommst Du auch noch an die Reihe, du Tau-
genichts — oder willst Du mir etwa sagen, von wem Du
die schönen gestickten Hosenträger gestern geschenkt be-
kommen hast?“
Der junge Mann konnte eine leichte Röthe nicht ver-
bergen, welche sein Gesicht überzog, und verzichtete auf
eine Antwort.
„Nun? warum wirst Du roth? Warum stehst Du nicht
Rede und Antwort? Nicht wahr, ich habs getroffen? Denkst
Du denn, ich hätte das M. B. nicht gesehen, was mit drauf-
gestickt ist, und wüßte nicht, daß das ‚Minna Bachmann‘
heißen soll?“
„Aber was hast Du denn eigentlich gegen das Mädchen?“
fragte der Sohn.
„Gegen das Mädchen? Heiliger Knieriem, nicht nur gegen
das Mädchen habe ich was, sondern die ganze Sippschaft
kann mir gestohlen werden! Ihr Alter bildet sich Wunder
’was darauf ein, daß er der vierzehnte Bachmann ist und
ich erst der dreizehnte Hillmann; ein einziger Bachmann
wäre ebenso viel werth wie zehn Hillmänner, hat er gesagt,
und über meine neue Schnarre hat er sich auch sehr lustig
gemacht und mich deshalb einen Bretzeljungen genannt.
Soll ich das etwa ruhig hinunterschlucken? Uebrigens
sind schon zur Zeit des starken August die Hillmänner
den Bachmännern nicht grün gewesen; im siebenjährigen
Kriege haben zwei neben einander gedient und sich we-
gen eines Mädchens bald todtgeschlagen; nachher, als die
Franzosen gekommen sind, ists wieder so gewesen; da ist
in der Schlacht bei Leipzig ein Hillmann — und das war
der Großvater, Gott habe ihn selig — mit übergegangen,
und ein Bachmann — das war auch dem Jetzigen sein
Großvater — bei Napoleon geblieben, und das hat
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