Die beiden Nachtwächter
der Nase in eine Schnupfdose gerathen ist.
„Heiliger Knieriem, ist das ein Wetter! Der Schnee
fällt so dicke, daß er Einen von einer Seite auf die andere
schiebt. Ich möcht nur wissen, wem die Beine da unten ei-
gentlich sind, über die ich immer hinwegstolpere. — Hat
Eins — nein, wart’ ’mal, na weiter ists noch nicht — hat
Eins geschlagen! Lobt den Herrn!“
Er versuchte, mit der Schnarre einen Wirbel zu schla-
gen, aber — rrrrrr, flog sie ihm aus der Hand und über
die Gasse hinüber. Ganz erstaunt blieb er stehen und sah
sich um.
„Wer ist denn der Kerl, der mir die Schnarre aus der
Hand schlägt, he? Will Er mir sie wohl gleich wiederholen!“
Als keine Antwort erfolgte, schritt er selbst nach der Stelle,
wo er sie vermuthete, bückte sich nieder und — stand
im nächsten Augenblick mit allen Vieren im Schnee. Er
gab sich alle Mühe, die Balance zu behalten; vollends nie-
der wollte er nicht, in die Höhe konnte er nicht, weil ihm
der Kopf zu schwer wurde, und so stand er bewegungslos
wie ein Turnerbock auf der Erde, bis er endlich doch das
Gleichgewicht verlor und sich kräftig auf die Seite legte.
Glücklicher Weise kam er dabei mit der Hand auf die ver-
lorne Schnarre zu liegen.
„Ja, wenn Keiner ’was findet, ich darf nur zugreifen —
gleich hab ichs. Geschick, das ist die Hauptsache! Wenn
ich nur wieder in die Höhe wär, da mag dann meinetwegen
schnarren, wer will, ich laß sie mir nicht wieder aus der
Hand schlagen!“
Nach langer Anstrengung gelang es ihm, sich aufzu-
richten, und nun gings im Zickzack wieder die Gasse ent-
lang. Nach einiger Zeit blieb er stehen.
„Gott sei Dank, da ist der ‚blaue Stern‘, und da steht
auch der Omnibus. Jetzt muß ich eine Viertelstunde aus-
ruhen, hahahaha, grad so, wie’s der Bachmann gemacht
hat, der dumme Kerl. Fährt der Mensch von Wummers-
hausen nach Ammerstadt und fängt hier an zu duten! Daß
muß er doch merken, wenns fortgeht!“
Er öffnete die Thür und guckte in das Innere des Wagens.
„Nein, da gehe ich nicht rein, da ist mirs zu luftig. Im
Rauchcoupee ists kleiner und also auch wärmer! Bin nur
froh, daß ich heut den Spieß nicht mit habe; den brächte
ich gar nicht hinein.“
Mit vieler Mühe führte er seinen Vorsatz aus, setzte
sich nieder und schlief ein. — — —
Während dessen stak Bachmann zwischen seinen vier
nackten Wänden und ärgerte sich ganz ingrimmig über
die Thorheit, durch die er sich in solche Verlegenheit ge-
bracht hatte. Mit den lebhaftesten Farben malte er sich die
Schande aus, welche er zu erwarten hatte, und als er nun
gar an die Schadenfreude dachte, welche Hillmann an den
Tag legen würde, sprang er von der harten Pritsche auf,
stürmte in dem engen Raume hin und her und rüttelte
endlich mit aller Gewalt an der Thür, welche ihm den Weg
zur Freiheit verschloß — — einen Laut der Freude stieß
er aus, denn sie hatte nachgegeben.
Das Holz, durch welches die eisernen Haspen in der
Wand festgehalten wurden, war von der hier herrschenden
Feuchtigkeit angegriffen worden und verfault. Ein kräf-
tiges Andrücken mit der Schulter — ein lautes Krachen,
Rasseln und Klirren, und die alte Thüre lehnte sich an die
gegenüberliegende Wand des engen Ganges.
Niemand konnte das Geräusch gehört haben, denn das
altersgraue und baufällige Gebäude wurde, gebaut wie
ein Schuppen, jetzt nur noch zur Aufbewahrung der Jahr-
marktsbuden benutzt und hatte außerdem nichts als die
Zelle aufzuweisen, welche als Interimsaufenthalt für unge-
fährliche Inculpaten gebraucht wurde.
Nicht weit vom Eingange lehnte sein Spieß, und da hing
auch sein Horn an einer der Budenlatten, das wußte er.
Nachdem er trotz der Dunkelheit beide gefunden, suchte
er nach einem Ausgange. Das Thor war verschlossen, aber
in der Vorderwand befanden sich einige Laden, die jeden-
falls von innen zu öffnen waren. Er machte den Versuch —
es gelang, und trotz seiner Korpulenz befand er sich nach
wenigen Augenblicken im Freien.
„Tausendsapperlot,“ athmete er erleichtert auf, „einmal
eingesponnen und nicht wieder! Warte nur, Hillmann, Dir
will ichs gedenken! Aber wie komme ich nach Wummers-
hausen? Laufen kann ich doch in dem Wetter unmöglich,
und hierbleiben? — nein das geht nicht. Halt, der Omni-
bus geht ja jetzt bald wieder fort. Mit dem fahre ich — aber
blind — wenn mich Niemand sieht, so ist die ganze Ge-
schichte nicht wahr
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